Bewerben in Finnland
Wo aus Gummistiefeln Handys wurden ...
Zum Arbeiten nach Finnland
Land und Leute
Lange Zeit wusste man hierzulande nur wenig
über Finnland. Bestenfalls brachte man Blockhäuser,
Sauna, Mitternachtssonne, unendliche Wälder
und Tausende von Seen (ganz exakt sind es
187.888) in einen Zusammenhang mit dem Land
im hohen Norden, das zu einem Viertel nördlich
des Polarkreises liegt. Doch dann kamen Nokia,
Mika Häkkinnen und schließlich die Pisa-Studie,
bei der die Finnen auf der Top-Position glänzten
- und Finnland rückte in den Fokus allgemeiner
Aufmerksamkeit. Was ist das Erfolgsgeheimnis
des IT-verrückten Bildungswunderlandes?
Etwa drei Viertel der Landesfläche Finnlands,
die insgesamt ungefähr der Größe der Bundesrepublik
Deutschland entspricht, sind mit Wald bedeckt
und nahezu menschenleer. Die nur 5,2 Millionen
Finnen leben zu 65 Prozent in den Städten:
in der Hauptstadt Helsinki (551.000 Einwohner),
in den Nachbarstädten Espoo (210.000) und
Vantaa (176.000) oder in Tampere (193.000),
Turku (172.000) und Oulu (118.000). Die restlichen
35 Prozent leben in ländlichen Gebieten.
Finnland ist seit 1995 Mitglied der Europäischen
Union und hat als einziges skandinavisches
Land den Euro eingeführt. Ganz bewusst hat
sich Finnland in den vergangenen Jahren europäisch
orientiert und sich von der Jahrzehnte langen
Bindung zum Nachbarn Russland gelöst. Das
Land hat eine der besten Wirtschaftsentwicklungen
in der EU und Europa hingelegt und kann ausgezeichnete
Konjunkturdaten vorweisen. Die Traumstory
schlechthin ist der Siegeszug von Nokia,
einem Unternehmen, das einst als kleiner
Papiererzeuger angefangen hatte, dann chemische
Produkte und vor allem Gummistiefel herstellte
und sich schließlich zum Weltmarktführer
im Bereich der mobilen Kommunikation entwickelte.
Nokia und anderen in Finnland tätigen Unternehmen
kommt das hohe Bildungsniveau der Finnen
und ihre Aufgeschlossenheit für neue Technologien
zugute: 70 Prozent aller Finnen besitzen
ein Handy und in keinem anderen Land der
Welt werden E-Mails und das Internet so intensiv
genutzt wie in Finnland. Ohnehin sind die
Finnen ein informationshungriges und auch
lesefreudiges Volk, das nicht nur SMS verschickt:
In Finnland erscheinen 56 Tageszeitungen,
158 Wochenzeitungen und 2600 regelmäßige
Zeitschriften und Periodika. In Bezug auf
die Gesamtauflage pro Kopf der Bevölkerung
steht Finnland damit an zweiter Stelle in
Europa und an dritter Stelle in der Welt.
Der außerordentlich hohe Bildungsstand der
Finnen ist seit der Pisa-Studie in aller
Munde: an 21 Universitäten im Land studieren
135.000 junge Menschen, davon sind 52 Prozent
Frauen. 56 Prozent der Bevölkerung haben
eine abgeschlossene Fachausbildung, 13 Prozent
besitzen einen Hochschulabschluss. Knapp
die Hälfte der Erwerbstätigen in Finnland
sind Frauen.
Finnland ist eine hochentwickelte Industriegesellschaft
mit einem hohen Lebensstandard. Die Lebenshaltungskosten
liegen im EU-Durchschnitt, die Gehälter sind
allerdings im Schnitt 30 Prozent niedriger
als in Deutschland. Sehr teuer sind Autos,
Benzin, Alkohol, Tabak und Bücher. Billiger,
weil hauptsächlich durch Steuergelder finanziert
sind Schule, Berufsbildung, Hochschulstudien,
Sozialversicherung und Gesundheitsfürsorge.
Wirtschaft / Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Finnland hat seit den fünfziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts einen tiefgreifenden
Strukturwandel von einem Agrarland zu einer
Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft
durchlaufen. Rund zwei Drittel aller Erwerbstätigen
sind heute im Dienstleistungssektor beschäftigt.
Wichtigster Industriezweig des Landes ist
die Elektroindustrie. Sie produziert mit
Telekommunikationsgeräten und Internet-Netzwerken
die erfolgreichsten Exportartikel des Landes.
Ganz an der Spitze steht hier natürlich Nokia,
der Weltmarktführer im Bereich der mobilen
Kommunikation, mit 54.000 Mitarbeitern in
130 Ländern. Das Interesse und die Aufgeschlossenheit
der Finnen für High-Tech und IT-Produkte
ist enorm. In diesem innovationsfreudigen
»Klima« hat sich im Süden Finnlands
eine Art »Silicon-Valley« des Nordens
entwickelt: Zahlreiche internationale Computer-,
Software- und IT-Unternehmen haben sich in
der Gegend um Helsinki angesiedelt oder zumindest
ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen
hierher verlegt, z.B. IBM, ICL, Hewlett Packard,
Lotus, SAP und Razorfish. Siemens entwickelt
und forscht bereits seit 1981 in einem eigenen
Kompetenz- und Entwicklungszentrum im Süden
Finnlands.
Wegen der riesigen Wälder hat die Forstindustrie
große Bedeutung für die finnische Wirtschaft.
Holz ist die wichtigste Rohstoffressource
des Landes, Papier und Zellstoff, Schnitt-
und Sperrholz machen knapp ein Drittel der
finnischen Gesamtausfuhren aus.
Weitere wichtige Industriezweige sind Metallindustrie
(Eisen und Stahl), Maschinenbau, Schiffsbau,
Chemische Industrie und Nahrungsmittelindustrie.
Deutschland ist seit Jahren - sowohl beim
Export als auch beim Import - der wichtigste
Handelspartner Finnlands vor Schweden und
Großbritannien.
Obwohl Finnland zu den Wachstumsspitzenreitern
in der EU gehört, hat das Land den weltweiten
Wirtschaftsabschwung auch zu spüren bekommen:
die Arbeitslosenquote liegt hier bei 9,4%. Das ist die höchste Quote in den skandinavischen
Ländern, die sonst weit unter dem EU-Durchschnitt
liegen. Dennoch haben sich in allen oben
genannten Branchen die Aussichten für Arbeitssuchende
deutlich gebessert.
Sprache lernen
Ohjee! In diesem Fall ist das gar nicht so
einfach. In Finnland sprechen 93 Prozent
der Einwohner Finnisch, 5,8 Prozent sprechen
Schwedisch und die Minderheit der Lappen
spricht Samisch. Aber selbst das Finnische
ist für unsere Ohren völlig unverständlich,
es ähnelt weder im Laut- noch im Schriftbild
oder in der Grammatik irgendeiner indogermanischen
oder romanischen Sprache. Stattdessen ist
es eng mit dem Estnischen und dem Ungarischen
verwandt und gilt im Ausland als schwer erlernbar.
Gerade weil die finnische Sprache für die
meisten anderen Europäer ein Rätsel ist,
sind Fremdsprachenkenntnisse für die Finnen
ein Muss und dies kommt dem ausländischen
Gast oder Arbeitnehmer zugute. Vor allem
in den Städten gibt es kaum Verständigungsprobleme,
denn viele Finnen sprechen Deutsch und die
meisten Englisch. Da die meisten hier niedergelassenen
Firmen international ausgerichtet sind, wird
im Job vielfach Englisch gesprochen.
Allerdings sollte man wenigstens Grundkenntnisse
der Sprache erlernen, um den Alltag zu meistern.
Denn wie sonst sollte man Straßen- oder Verbotsschilder
lesen und den täglichen Einkauf bewältigen
können?
Viele Volkshochschulen bieten Finnisch-Kurse
an, für vertiefte Kenntnisse kann man sich
an eine professionelle Sprachenschule wie
Berlitz (www.berlitz.de) oder Inlingua
(www.inlingua.de) wenden. Es lohnt sich auch immer, nach firmeninternen
Sprachkursen zu fragen, wenn ein Unternehmen
eine Tochterfirma in Finnland hat oder Mitarbeiter
regelmäßig dorthin geschickt werden.
Bewerben in Finnland - Praktikum oder Job
finden
Wer seine persönliche »Bildungsoffensive«
gleich mit dem Erwerb von Auslandserfahrung
verknüpfen möchte, ist bei der deutsch-finnischen
Handelskammer an der richtigen Adresse. Sie
führt einen Praktikums-Service, der Praktikumsplätze
für Juristen und Wirtschaftswissenschaftler
und für Studenten im Hauptstudium und junge
Berufstätige vermittelt. Darüber hinaus organisieren
deutsche Wirtschaftsunternehmen über die
deutsch-finnische Handelskammer die berufliche
Aus- und Weiterbildung an ihren Standorten
in Finnland. Adressen im Internet unter
www.ahk.de, auf Finnland klicken und sich vom System weiterleiten lassen.
Informationen über Studium oder Praktikum
in Finnland erhält man auch beim »Finnland-Institut
in Deutschland«,
www.finnland-institut.de. Das Finnland-Institut für Kultur, Wissenschaft
und Wirtschaft mit Sitz in Berlin organisiert
regelmäßig Vorträge und Informationsveranstaltungen
an Universitäten und Fachhochschulen. Detaillierte
Informationen in englischer Sprache über
Studium, Praktikum und Aufenthalt in Finnland
finden sich auf der Homepage der finnischen
Austauschorganisation CIMO (Centre for International
Mobility - Finnische Zentrale für Internationale
Mobilität).
Arbeitnehmer, die nach einer regulären Arbeitsstelle
suchen, können sich natürlich direkt an das
gewünschte Unternehmen wenden oder auf Inserate
antworten. Persönliche Kontakte sind dabei
ganz besonders hilfreich. Zu entsprechenden
Stellen führt auch der klassische Weg über
Personalanzeigen in den Zeitungen, z.B. in
der Sonntagsausgabe der wichtigsten finnischen
Tageszeitung »Helsingin Sanomat«,
(auch im Internet:
www.hs.fi), allerdings muss man in diesem Fall das Finnische bereits beherrschen. Als EU-Bürger
haben deutsche Jobsucher freien Zugang zu
den ca. 200 staatlichen Arbeitsämtern, die
70 Prozent der freien Stellen vermitteln.
Aber auch hier wird man ohne gute Finnisch-Kenntnisse
nicht weit kommen. Empfehlenswert ist es
dagegen, sich an eine hiesiges Arbeitsagentur
mit einem EURES-Berater zu wenden, der auch
Stellen in Finnland vermitteln und zusätzlich
Informationen über Bewerbung, Umzug, Arbeiten
und Leben in Finnland geben kann. Das »Europäische
Berufsberatungszentrum für Finnland«
befindet sich im Arbeitsagentur Lübeck, Hans-Böckler-Straße
1, 23560 Lübeck, Tel.: 0451-588-0, Fax: 0451-588-604.
Seit 1994 sind in Finnland auch private Stellenvermittler
zugelassen, an die sich Bundesbürger wenden
können. Positiv: Die Vermittlungsgebühren,
die hier anfallen, werden vom Arbeitgeber
bezahlt.
Stelleninformationen sind aber auch über
verschiedene Internet-Stellenmärkte.
Bewerben in Finnland - Besonderheiten bei
der schriftlichen Bewerbung
Bevor man seine Bewerbung abschickt, sollte
man sich erkundigen, ob deutsche Diplome
in Finnland in vollem Umfang anerkannt werden.
In der Regel erkennt Finnland bei EU-Bürgern
Berufserfahrung und Diplome immer dann an,
wenn sie im Heimatland ihren Beruf ausüben
dürfen. Nur in einigen Fällen wird eine Prüfung
verlangt. Nachfragen kann man beim »National
Board of Education«, Hakaniemenkatu
2, P.Q. Box 380, SF-00530 Helsinki, Tel.:
+358-9-774-775,
www.oph.fi und
www.edu.fi.
Das Bewerben in Finnland sich gewöhnlich eher
im »amerikanischen Stil«, das heißt
mit kurzem Anschreiben und kurzem Lebenslauf
in lockerem Tonfall, aber prägnant in der
Aussage.
Die schriftliche Bewerbung sollte maximal
zwei DIN-A-4-Seiten lang sein und einen ausführlichen,
nicht tabellarischen Lebenslauf enthalten.
Ein Passfoto kann aufgeklebt werden, wird
aber nicht erwartet. Ebenso kann man Zeugniskopien
beifügen, die dann jedoch übersetzt und beglaubigt
sein müssen. In der Regel verlangt der Arbeitgeber
Referenzen, die auch tatsächlich überprüft
werden - mogeln sollte man deshalb besser
nicht. Finnisch-Kenntnisse sind durchaus
gewünscht, in internationalen Firmen wird
man aber sicher mehr Wert darauflegen, dass
der Bewerber zunächst einmal sehr gut Englisch
spricht.
Übrigens: Es ist üblich, sich den Eingang
der Bewerbung telefonisch bestätigen zu lassen.
Arbeitsvertrag/Arbeitszeit/Probezeit
In Finnland haben sowohl mündliche als auch
schriftliche Arbeitsverträge Gültigkeit,
man sollte aber immer darauf bestehen, dass
man einen schriftlichen Vertrag erhält. Hier
sollte festgeschrieben sein: Beginn und Dauer
des Arbeitsverhältnisses, Positionsbeschreibung
und Art der Tätigkeit, Gehalt, Zeitpunkt
der Lohnzahlung, Jahresurlaub, Probezeit
und Kündigungsfrist.
Die Probezeit beträgt in der Regel 4 Monate.
Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt
bei 40 Stunden. Der Jahresurlaub ist abhängig
von der Dauer des Arbeitsverhältnisses und
liegt bei maximal 30 Tagen, im europäischen
Vergleich ist das eine ganze Menge.
Die Gehälter in Finnland sind im Schnitt
30 Prozent niedriger als in Deutschland.
Gezahlt wird zusätzlich ein Urlaubsgeld,
das ungefähr einem halben Monatsgehalt entspricht.
Steuern und soziale Leistungen
Finnland hat mit der Bundesrepublik Deutschland
ein so genanntes Doppelbesteuerungsabkommen
geschlossen. Wer also in Finnland wohnt und
seine Einkünfte in Finnland bezieht, unterliegt
auch hier der Steuerpflicht. Die Lohnsteuer
wird direkt vom Arbeitgeber einbehalten und
an die Steuerbehörden abgeführt.
Steuerpflichtig sind in Finnland Einkünfte
aus Kapitalvermögen und aus selbstständiger
oder unselbstständiger Arbeit. Andere Steuerarten,
die u.U. zu entrichten sind, sind Kirchensteuer,
Vermögenssteuer, Grundsteuer, Erbschafts-
und Schenkungssteuer.
Die Sozialversicherung ist in Finnland Pflichtversicherung.
Sie umfasst Leistungen bei Krankheit, Unfall,
Invalidität, Tod, Alter, Witwenschaft, Elternschaft
und Arbeitslosigkeit. Für Arbeitnehmer gibt
es darüber hinaus Rentenleistungen ab dem
65. Lebensjahr. Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung
werden erst dann gewährt, wenn der Arbeitnehmer
innerhalb der letzten zwei Jahre mindestens
43 Kalenderwochen beschäftigt war. Man kann
sich jedoch auch privat zusätzlich gegen
Arbeitslosigkeit versichern. Die Leistungen
sind verdienstabhängig und werden von den
Kassen der Gewerkschaften für maximal 500
Tage gezahlt.
Eine medizinische Versorgung von hohem Standard
ist in ganz Finnland gewährleistet. Jede
Person mit ständigem Wohnsitz in Finnland
ist in der staatlichen Krankenversicherung
versichert. Sie deckt ambulante Leistungen
der in Finnland üblichen Gesundheitszentren
und der öffentlichen Krankenhäuser ab. Gesundheitszentren
berechnen jedoch einen kleinen Kostenbeitrag
für die ersten drei Termine innerhalb eines
Kalenderjahres. Ebenso muss man sich an einem
stationären Krankenhausaufenthalt finanziell
beteiligen. Neben dem öffentlichen Gesundheitswesen
gibt es (recht teure) niedergelassene Ärzte
und private Krankenhäuser. Die Kosten für
Behandlungen und Arzneimittel werden hier
nur zum Teil erstattet, den Löwenanteil zahlt
der Patient selbst. Das gleiche gilt für
Zahnbehandlungen, die nur für Personen, die
nach 1955 geboren sind, von den Krankenversicherungen
bezahlt werden. In Finnland gibt es spezielle
Mutter-Kind-Zentren, die kostenlos informieren
und betreuen.
Deutsche Arbeitnehmer, die nur zeitweilig
ihren Wohnsitz in Finnland haben, sollten
sich mit ihrer Krankenkasse in Verbindung
setzen und sich nach den Bedingungen für
eine Weiterversicherung bei begrenztem Auslandsaufenthalt
informieren. Sie müssen bei einer medizinischen
Versorgung in Finnland die anfallenden Gebühren
zwar vorauszahlen, bekommen sie aber von
der hiesigen Krankenversicherung erstattet.
Einreiseformalitäten
Staatsangehörige eines EU-Landes können ohne
besondere Formalitäten mit ihrem gültigen
Reisepass oder Personalausweis nach Finnland
einreisen. Wer länger als drei Monate in
Finnland bleiben möchte und dort arbeiten
will, benötigt eine Aufenthaltsgenehmigung.
Sie muss innerhalb der ersten drei Monate
bei der Polizeidienststelle des Wohnortes
beantragt werden. Dazu ist lediglich ein
gültiger Reisepass oder Personalausweis und
ein Beschäftigungsnachweis des Arbeitgebers
vorzulegen. Im Normalfall wird die Aufenthaltsgenehmigung
dann für fünf Jahre gewährt.
Über alle Formalitäten bei einem längeren
Aufenthalt in Finnland kann man sich auch
Rat holen bei der »Botschaft der Republik
Finnland«, Rauchstraße 1, 10787 Berlin-Tiergarten,
Tel.: 030-50 50 3-0, Fax: 030-50 50 33 33,
www.finnland.de.