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Das Mathematikstudium als Eintrittskarte für eine vielfältige Berufswelt

Ein Beitrag von Prof. Hanspeter Bopp, Studiendekan Mathematik, Hochschule für Technik Stuttgart

Gefragte Fähigkeiten und persönliche Kompetenzen - Aus der Vielfalt an Möglichkeiten, als Mathematiker oder als Mathematikerin in der Arbeitswelt tätig zu sein, ergibt sich kein Berufsbild, das einfach zu beschreiben ist. Dieser Beitrag soll einerseits helfen, mehr über das Berufsfeld zu erfahren und andererseits über Eigenschaften informieren, die man für den Beruf und teilweise auch schon für das Studium mitbringen sollte.

Grundsätzlich kann man sagen, dass Absolventen eines Mathematikstudiums überall dort gefragt sind, wo strukturiertes Arbeiten und analytisches Denken gebraucht werden. Sie sollten in der Lage sein, im jeweiligen Arbeitsbereich die auftretenden Probleme zu analysieren, durch Modellbildung mathematisch zu formalisieren und mit den vielfältigen Methoden der Mathematik unter Verwendung der Informatik im Team zu lösen. Aus dieser komplexen Anforderung lassen sich sowohl für die Ausübung des Berufs als auch teilweise schon für die Wahl des Studiums die folgenden wesentlichen Anforderungen ableiten:

› Gute Mathematik- und Informatikkenntnisse
› Abstraktionsvermögen und logisches Denken
› Teamfähigkeit
› Belastbarkeit
› Sprachliche Ausdrucksfähigkeit und Fremdsprachenkenntnisse

Berufsfelder und Berufseinstieg

Für den beruflichen Einstieg für Absolventinnen und Absolventen bieten sich folgende wesentliche Berufsfelder an: › Automobil- und Maschinenbauindustrie samt Zulieferindustrie - Simulation von verschiedenen Prozessen für teure oder unmögliche Versuche, z. T. mit Methoden von »Virtual Reality«, digitale Bildverarbeitung, Entwicklung von sog. Fahrerassistenzsystemen, Qualitätskontrolle, CAD/CAM Modellierung
› Versicherungswirtschaft und Bausparkassen - Erstellung innovativer Versicherungsprodukte, Umsetzung neuer gesetzlicher Vorgaben, Risikocontrolling
› Bankensektor mit Grossbanken, Bundesbank und Aufsichtsbehörden - Risikocontrolling, Entwicklung neuer Anlagenmodelle
› Softwarefirmen allgemein - insbesondere aber auch solche, die sich auf die Unterstützung der oben genannten Bereiche spezialisiert haben
› Beratungsfirmen allgemein und speziell für die oben genannten Bereiche

Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl von anderen Berufsfeldern, in denen in geringerem Maße Mathematiker eingestellt werden. Stellvertretend dafür seien genannt: Logistik, Verkehr, Telekommunikation, Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt, Statistische Ämter sowie Forschungseinrichtungen.

Eine von unserem Studienbereich ausgewertete Befragung, bei der wir 85% unserer Absolventen in der Zeit von 1995 bis 2011 erreicht haben, ergab folgende prozentuale Zuordnung von Absolventen zu den oben genannten Berufsfeldern:

› Softwarefirmen allgemein 40%
› Versicherungswirtschaft 23%
› Automobil- und Maschinenbauindustrie 14%
› Bankensektor 12%

»Zum üblichen Direkteinstieg mit Festanstellung kommen in den letzten Jahren in seltenen fällen auch Traineeprogramme.«

Interessant bei der Befragung war der deutliche regionale Bezug, denn mehr als 70% der Befragten gelang der Berufseinstieg in der Region Stuttgart, weiteren 10% in anderen Regionen des Landes Baden-Württemberg. Etwa 15% begannen ihr Berufsleben in anderen Bundesländern, vorzugsweise in den Großräumen München und Frankfurt. Der Berufsstart im Ausland war mit 4% eher gering. In seltenen Einzelfällen kam es auch schon vor, dass sich Absolventen z. B. mit einer Beratungsfirma selbständig gemacht haben.

Aufgrund des verstärkten Praxisbezugs, der vor allem von einem in das Studium integrierten Praktischen Studiensemester herrührt, haben es die Absolventinnen und Absolventen beim Einstieg ins Berufsleben grundsätzlich nicht schwer.

Zum üblichen Direkteinstieg mit Festanstellung kommen in den letzten Jahren in seltenen Fällen auch Traineeprogramme, aber auch Praktika dazu. Hilfreich für einen erfolgreichen Berufseinstieg sind ein überdurchschnittliches Bachelorabschlusszeugnis, das persönliche Auftreten sowie die Kommunikationsfähigkeit und weitere Schlüsselqualifikationen wie z. B. Fremdsprachenkenntnisse.

Insgesamt werden die vom Fachbereichstag Mathematik jährlich erhobenen Berufschancen immer noch als gut - sehr gut eingeschätzt.

Berufliche Perspektiven und Karrieren

Ein innerbetrieblicher Aufstieg hängt zum ganz großen Teil von der Bereitschaft ab, die der Berufseinsteiger mitbringt, sich zu engagieren und sich permanent weiterzubilden. In der Versicherungswirtschaft kommt es nicht selten vor, dass die dortigen Mathematiker und Mathematikerinnen eine anspruchsvolle mindestens drei Jahre dauernde Zusatzausbildung wahrnehmen, um nach mehreren schriftlichen Klausuren mit dem begehrten Prädikat Aktuar (DAV) abzuschließen. Üblicherweise bekommt man nach einigen Jahren Berufserfahrung Verantwortung für mehrere Mitarbeiter in der Funktion als Teamleiter übertragen. Als Ausnahmefälle sind mir aus unserem Absolventenkreis zwei Abteilungsleiter im Industriebereich und ein Mitglied im Vorstand einer Versicherung bekannt.

Mittlerweile kommt es auch immer häufiger vor, dass die Weiterbildung ehemalige Absolventen an die Hochschule zurückführt. Mit einem reduzierten Arbeitspensum im Unternehmen können sie dann ein fünfsemestriges Masterstudium in Teilzeit absolvieren.

Das Interesse, ein dreisemestriges Masterstudium in Vollzeit direkt an das Bachelorstudium anzuschließen, steigt ebenfalls. Nach Erfüllung entsprechender Voraussetzungen für die Aufnahme in das Masterstudium entscheiden sich bei uns in Stuttgart derzeit etwa 25% einer Absolventengruppe für ein solches Studium.

Aufgrund der noch wenigen Abschlussjahrgänge kann die Frage, ob ein solcher direkter Masterabschluss in Vollzeit die Chancen für den Berufseinstieg erhöht, bzw. den innerbetrieblichen Aufstieg beschleunigt, nicht beantwortet werden. Allerdings liegt das Einstiegsgehalt im Vergleich mit dem der Berufsanfänger mit Bachelorabschluss deutlich höher. Ebenso wenig können heute schon Aussagen über gestiegene Karrierechancen nach einem Masterabschluss in Teilzeit gemacht werden. Bei vielen Studierenden in einem Masterstudiengang besteht zunächst der Wunsch, die bisher erworbenen Mathematikkenntnisse erheblich zu vertiefen, um danach gegebenenfalls zur eigenständigen mathematischen Tätigkeit in Industrie und Wirtschaft oder zur Leitung von Projekten, die vertiefte Kenntnisse und Methoden erfordern, befähigt zu sein. Ergänzend sei noch die Tatsache erwähnt, dass es für Bachelorabsolventen ein sog. PreMaster - Programm der Firma Bosch gibt. Authentische Informationen über das Mathematikstudium, den Berufseinstieg bzw. den Berufsalltag, findet man in fünf repräsentativ ausgewählten Erfahrungsberichten von Stuttgarter Absolventinnen und Absolventen.

› Mehr unter: www.hft-stuttgart.de/Studienbereiche/ Mathematik/Bachelor-Mathematik/warum/ Erfahrungsberichte/index.html/de
Mathematik - Prof. Hanspeter Bopp

Kurzvita

Prof. Hanspeter Bopp hat an der Universität Stuttgart Mathematik studiert und dort als Diplommathematiker abgeschlossen. Als solcher war er anschließend mehrere Jahre am Institut für Anwendungen der Geodäsie im Bauwesen der Universität Stuttgart tätig. Mit dem dort erworbenen Anwendungsbezug wurde er an den Fachbereich Mathematik der Hochschule für Technik Stuttgart berufen, schwerpunktmäßig für das Fachgebiet Geometrie.

Diesen in Baden-Württemberg einzigen Studiengang an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften (früher Fachhochschule) leitete er als Fachbereichsleiter bzw. Dekan lange Jahre. Danach übernahm er bis vor wenigen Jahren den Vorsitz des Fachbereichstags Mathematik, dem Zusammenschluss von derzeit 16 Studienbereichen Mathematik an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, und ist derzeit Studiendekan des Bachelor-Studiengangs Mathematik.
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