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Was ist Automatisierungstechnik?

Ein Beitrag von Prof. Dr.-Ing. habil. Kerstin Thurow, Professur für Automatisierungstechnik / Life Science Automation, Universität Rostock

Automatisierungstechnik ist definiert als »eine Ingenieurwissenschaft, die alle Maßnahmen behandelt, Maschinen oder Anlagen zu automatisieren, also selbständig und ohne Mitwirkung von Menschen betreiben zu können«. Die Geschichte der Automatisierungstechnik ist so alt wie die Menschheit. Die Entwicklung des automatisierten Webstuhl 1785 oder der Dampfmaschine 1788 waren erste wesentliche Schritte auf dem Weg der Industrialisierung, die ohne geeignete Automationsanlagen nicht möglich ist.

Das 20. Jahrhundert war mit der Einführung der Computertechnologie geprägt von der digitalen Revolution. Während die wesentliche Anwendung der Automatisierungstechnik zunächst in der Großserienproduktion lag, bieten flexible Anlagen heute die Möglichkeit, auch die Produktion kleinerer Serien oder auch von Einzelstücken (teilweise) zu automatisieren.

Aber wie weit sind wir heute in der Automatisierungstechnik? Benötigen wir noch Automatisierungstechniker in der Zukunft? Die Antwort ist recht einfach: Die Bedeutung und Entwicklung der Schlüsseltechnologien ist ohne ständige Weiterentwicklung der Automatisierung und Erhöhung des Automationsgrades nicht denkbar. Dies betrifft in Deutschland insbesondere die Automobilindustrie, den Maschinenbau und die Chemische Industrie, die einen hohen Anteil an der gesamten Wertschöpfung haben. Neben einer rein wirtschaftlichen Betrachtung des Nutzens können durch Automatisierung auch für den Menschen monotone oder gefährliche Tätigkeiten von Maschinen übernommen werden.

Einsatzgebiete von Automatisierungstechnikern

Automatisierungstechniker erfahren eine umfangreiche Ausbildung auf zahlreichen Teilgebieten der Elektrotechnik und sind daher nach Abschluss ihres Studiums in unterschiedlichen Bereichen einsetzbar.

Erster Schritt jedes Automationssystems ist i.d.R. das Messen erforderlicher Prozessgrößen. Hierzu kommen heute Sensoren zum Einsatz, die physikalische, chemische oder biologische Größen in (vorzugsweise) elektrische Signale umwandeln. Der Entwicklung neuer, miniaturisierter und flexibler Sensoren wird künftig eine noch größere Rolle zukommen. Insbesondere die Entwicklung von Sensoren nach dem Vorbild der Natur, sogenannten Biosensoren, hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Neben der messtechnischen Erfassung von Prozessgrößen ist deren Steuerung, d.h. der Ablauf eines Prozesses entsprechend prozessbezogener Sollvorgaben, von Bedeutung. Hierzu werden heute unterschiedliche Rechnersysteme von klassischen PC´s über embedded PC´s bis hin zu speicherprogrammierbaren Steuerungen eingesetzt.

Für die exakte Einstellung von Messgrößen entsprechend der Sollvorgaben werden geeignete Regelkreise eingesetzt. Diese sind jeweils prozessspezifisch so zu optimieren, dass unterschiedliche Lösungen für das Regeln für einen spezifischen Einsatzfall zur Verfügung stehen.

»Die Kommunikation spielt in Automationssystemen eine entscheidende Rolle.«

Die Kommunikation spielt in Automationssystemen eine entscheidende Rolle. Ein hoher Automationsgrad ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Sensoren und Aktoren, die in geeigneter Weise miteinander verbunden werden müssen. Hierfür kommen heute i.d.R. Feldbussysteme (z.B. Ethernet, Interbus, Profibus oder auch drahtlose Kommunikationsverfahren) zum Einsatz. Viele Prozesse stellen hohe Anforderungen an möglichst schnelle Reaktionen eines Automationssystems, so dass der Echtzeitfähigkeit eine besondere Bedeutung zukommt.

Auch wenn Maschinen und Systeme heute einen hohen Grad an Automatisierung und Autonomie aufweisen, ist der Mensch immer noch Teil der Anlagen. Seine Aufgaben verändern sich hin zu Überwachungs- und Kontrollfunktionen sowie der Programmierung der Automationssysteme. Der Einsatz geeigneter Mensch-Maschine-Schnittstellen verlangt heute noch umfangreiche Forschungen und Entwicklungen.

Für den Einsatz von Automationssystemen sind auch Fragen der Zuverlässigkeit und Sicherheit zu beachten. Die Automatisierungstechnik ist federführend an der Entwicklung von Vorschriften und deren Umsetzung, z.B. im Bereich Explosionsschutz, beteiligt.

Automation für die Life Sciences

Klassische Einsatzgebiete für Automatisierungstechniker sind auch heute die schon o.g. genannten Schlüsseltechnologien Automobilindustrie, Maschinenbau und Chemische Industrie. Der Bedarf an Spezialisten aus den Bereichen Sensorik, Steuerungstechnik, Regelungstechnik und Kommunikationstechnik ist ungebrochen groß. Daneben hat sich in den vergangenen Jahren ein enormer Bedarf an Automationslösungen im Bereich der Life Sciences ergeben.

»Während Elektrotechnik klassisch eine Männerdomäne ist, besteht bei vielen weiblichen Studierenden eine hohe Affinität zu Life Science Prozessen und deren Anwendung.«

Hierbei geht es z.B. um die Automatisierung von Testverfahren in der pharmazeutischen Industrie mit dem Ziel der schnelleren Entwicklung von Wirkstoffen. Ein anderes Anwendungsgebiet ist die Überführung bislang manueller Testverfahren in der Qualitätssicherung und Produktkontrolle sowohl in der Pharma- als auch der Lebensmittelindustrie oder auch die Automatisierung von Analysenverfahren in medizinischen Laboratorien. Wesentliches Ziel der Automatisierung in diesen Bereichen sind die Erhöhung der Anzahl der pro Zeiteinheit prozessierbaren Proben (Durchsatzerhöhung) sowie die Gewährleistung einer gleichmäßig hohen Qualität der Prozessbearbeitung. Für die kommenden Jahre werden von führenden Marktforschungsunternehmen hier Wachstumsraten von 8-10% per anno prognostiziert. Die Spezifität der zu automatisierenden Prozesse erfordert im Unterschied zur klassischen Automatisierungstechnik umfangreiche naturwissenschaftliche Kenntnisse (u.a. Chemie, Biologie, Pharmazie), um adäquate Automationskonzepte zu entwickeln und zu realisieren. Der Bedarf an entsprechend ausgebildeten Automatisierungstechnikern wird in der Zukunft noch erheblich steigen, so dass gerade in diesem Bereich sehr gute berufliche Perspektiven für Absolventen elektrotechnischer Studiengänge mit Ausrichtung auf naturwissenschaftliche Prozesse bestehen. Auch die Medizintechnik stellt einen starken Wachstumsbereich dar. Insbesondere die Entwicklung neuer Sensoren für den persönlichen Gesundheitsbereich (z.B. mobile Schrittzähler, Pulsmesser, Blutdruckmesser etc.), die einfach über gängige Smartphoneapplikationen zugänglich sind, weist hier ein hohes Entwicklungspotential auf.

»Während das 20. Jahrhundert allgemein als Jahrhundert der Computertechnologie gilt, entwickelt sich das 21. Jahrhundert zum Jahrhundert der Roboter.«

Während Elektrotechnik klassisch eine Männerdomäne ist, besteht bei vielen weiblichen Studierenden eine hohe Affinität zu Life Science Prozessen und deren Anwendung. Die Kombination beider Bereiche bietet so eine Möglichkeit, den bislang sehr geringen Frauenanteil in der Automatisierungstechnik zu erhöhen. Aufgrund der hohen Bedarfe bestehen für Frauen ausgesprochen gute berufliche Karrierechancen.

Robotik als Zukunftsbranche

Spezialisten werden auch in einem weiteren, sich derzeit stark entwickelnden Bereich benötigt. Während das 20. Jahrhundert allgemein als Jahrhundert der Computertechnologie gilt, entwickelt sich das 21. Jahrhundert zum Jahrhundert der Roboter. Roboter finden heute nicht mehr nur in der Automobil- oder Verpackungsindustrie Anwendung. Ihnen kommt als zentralen Transportelementen in den o.g. Life Science Prozessen eine große Bedeutung zu. Mit der zunehmenden Entwicklung mobiler Roboter geht auch die Möglichkeit des Einsatzes als Serviceroboter, nicht nur in industriellen Applikationen, sondern im alltäglichen Lebensumfeld der Menschen einher.

Kurzvita

Automatisierungstechnik - Prof. Dr.-Ing. habil. Kerstin Thurow Prof. Dr.-Ing. habil. Kerstin Thurow (Jahrgang 1969) ist seit 1999 Professorin an der Universität Rostock, Fachbereich Elektrotechnik. Nach Abschluss des Studiums der Chemie an der Universität Rostock im Jahr 1992 promovierte sie sich 1995 an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Mit dem Abschluss der Habilitation erwarb sie 1999 die venia legendi für den Bereich Mess- und Regelungstechnik und wurde im selben Jahr als Professorin berufen. Seit 2004 hat sie den Lehrstuhl Automatisierungstechnik / Life Science Automation inne. Ihre Forschungsgebiete umfassen Mess- und Automatisierungsstrategien für Prozesse der Life Sciences, Automatisierte Hochleistungsanalytik, Robotik sowie High Throughput-Verfahren. Prof. Thurow hat mehrere außeruniversitäre Vereine und Firmen gegründet und ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften Hamburg.
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