Bauingenieurwesen - die unbekannte Vielfalt
Ein Beitrag von Prof. Dr. Peter Böttcher - htw saar in Saarbrücken, Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen
Was hat die rote Ampel vor der Sie stehen, mit dem Wasser, das Sie aus dem Wasserhahn trinken, mit dem Fahrradweg auf dem Sie gerade die Grenze nach Frankreich überqueren, zu tun. Nun alle drei wurden von Bauingenieuren geplant, von Bauingenieuren gebaut und werden von Bauingenieuren gewartet und das oft auch in Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn.
Der Bauingenieurberuf ist der Beruf, der
am stärksten unsere direkte Umwelt gestaltet und dabei am unauffälligsten arbeitet. Bauingenieurinnen und Bauingenieure planen, bauen und betreiben Bauwerke, wie Häuser, Straßenverkehrswege, Flüsse, Kläranlagen oder Abfallentsorgungsanlagen. Die Bandbreite der beruflichen Tätigkeit ist genauso breit und vielfältig wie die Arbeitsplätze und die möglichen Arbeitgeber.
»Was ist eigentlich ein Bauingenieur, eine Bauingenieurin?«
Wir unterscheiden drei Gruppen von Bauingenieuren. Die konstruktiven Ingenieure, die Infrastruktur- und Umweltingenieure und die Baubetriebler und Projektsteuerer.
Die Gruppe der konstruktiven Ingenieure planen ein Bauwerk. Sie sorgen dafür, dass das Bauwerk von äußeren Einflüssen wie Wasser, Wind, Kälte, Schall und Feuer geschützt wird, sie sorgen dafür, dass ein Bauwerk nicht zusammenfällt, das das Tragwerk, die Statik, sicher und stabil ist. Das gilt für das Einfamilienhaus, wie für den 50 km langen Gotthardtunnel oder den Hochwasserdamm an der Nordsee. Dabei arbeiten sie mit den mechanischen Regeln der Physik und mit Baustoffen wie Beton, Holz, Stahl, Lehm oder Fels. Die Gruppe der Infrastruktur- und Umweltingenieure plant und betreibt Umweltprojekte. Umweltprojekte sind die Trinkwasserversorgung, die Abwasserversorgung, die Reinigung von Gewässern, die Infrastruktur von Straßen, Flüssen, Schienen, der Nahverkehr, die Gestaltung von Fahrradwegen oder die Neugestaltung eines innerstädtischen Verkehrsraumes. Dies gilt für die Trinkwasserversorgung von Nord-Baden-Württemberg aus dem Bodensee, für die Schnellbahntrassen der Bundesbahn, für den Hochwasserschutz des Rheins, für die naturnahe Gestaltung eines kleinen Fließgewässers im Bliesgau oder für die Reinigung der Abwässer einer Stadt wie Saarbrücken.
Die Gruppe der Baubetriebler und Projektsteuerer bauen Bauwerke. Bauen heißt eine Produktion mit Menschen und Baumaschinen aufbauen und leiten, sowie die Kosten des Bauwerkes ermitteln, kontrollieren und einhalten. Außerdem wird die Logistik der Produktion mit Baustofflieferanten, dem Auftraggeber, den planenden Ingenieuren, der Öffentlichkeit und den Behörden aufgebaut und aufrechterhalten. Und somit dafür gesorgt, dass der Bau fertig wird. Sie kombinieren betriebswirtschaftliches Wissen mit ingenieurwissenschaftlichem Wissen. Sie sind die Betriebswirte unter den Bauingenieuren und für jene die eher Fremdsprachen mögen ist es eine schöne Möglichkeit in der Verbindung von Sprache und Technik.
Wo arbeiten Bauingenieure?
Es gibt vier Gruppen von Arbeitgebern. Die öffentliche Verwaltung, Ingenieurbüros, Baufirmen und private Auftraggeber. Die öffentliche Verwaltung umfasst Bund, Länder, Städte und Gemeinden. Hier werden eigene Bauwerke geplant und betrieben. Alle drei Gruppen von Bauingenieuren finden hier ausreichend und interessante Arbeit. In Ingenieurbüros werden Bauwerke geplant. Die Gruppe der konstruktiven und der Infrastrukturingenieure findet hier vielfältige Aufgaben. In den Baufirmen finden die Baubetriebler ihre wesentlichen Aufgaben und bei privaten Auftraggebern, wie großen Industriebetrieben, finden Projektsteuerer und konstruktive Ingenieure ein umfassendes Tätigkeitsfeld.
Wer sich selbstständig machen möchte kann als planender Ingenieur, Ingenieurin ein eigenes Ingenieurbüro oder als Baubetriebler eine Baufirma führen.
Wie wird man Bauingenieur?
Bauingenieurwesen kann man an Fachhochschulen und Universitäten studieren. Mit der 7-semestrigen Bachelorausbildung an der Fachhochschule kann man bereits einen sehr guten, praxisorientierten Abschluss erhalten und die Mehrzahl der Absolventeninnen und Absolventen wagt den erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben. Die Masterausbildung mit zusätzlichen drei Semestern ist an den Fachhochschulen und Universitäten in der Regel theorieorientiert und vertieft Sonderbereiche in der großen Bandbreite des Bauingenieurwesens. Die einzelnen Hochschulen haben kleine Unterschiede in der Ausbildungsstruktur und in den Inhalten. An der »htw saar« in Saarbrücken z.B. gibt es einen Studiengang mit den Schwerpunkten »Konstruktiver Ingenieurbau« und »Infrastruktur- und Umweltingenieurwesen«, aber es gibt auch einen Studiengang mit dem Schwerpunkt Baubetrieb »Europäisches Baumanagement«, der gemeinsam mit den Universitäten Metz (Frankreich) und Luxemburg durchgeführt wird. Für Menschen, die Sprache mit Ingenieurwissenschaft verbinden wollen, ein sehr interessantes Angebot.
Was muss ich mitbringen?
Interesse an Technik ist das wichtigste! Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Recht, Betriebswirtschaft, Sprachen, alles Fächer, die je nach Schwerpunkt mal mehr, mal weniger gebraucht werden. Kreativität, Kommunikation, Ideenreichtum und Entscheidungsfreiräume nutzen sind weitere gute Voraussetzungen. Das Berufsfeld ist so groß, dass es für jede, für jeden eine Entwicklungsmöglichkeit gibt. Wichtig ist das Interesse an Technik und an unserer Umwelt.
Kurzvita
Herr Prof. Dr. Peter Böttcher ist seit dem 1.10.1999 als Professor für Baubetrieb und Baumanagement der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar) tätig.
Seine Schwerpunkte in der Lehre sind:
› Logistik der Baustellen
› Kostenrechnung und Wirtschaftlichkeit von Baustellen
› Arbeitswissenschaften im Baubetrieb
Vom 1.10.2011 bis zum 30.9.2013 leitete er als Dekan die Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen an der htw saar. Seit dem 1.10.2006 ist er Studiengangsleiter des trinationalen Bachelor- und Masterstudienganges »Europäisches Baumanagement«, der in enge Zusammenarbeit der Universität Lorraine, der Universität Luxemburg und der htw saar angeboten wird.
Seine Schwerpunkte in der Forschung sind:
› Wirtschaftlichkeit von Baustellen
› Bauablaufplanung mit virtuellen Realitäten
› Projektmanagement im Grenzraum Frankreich/ Deutschland
Die Forschungsprojekte werden aus Fördermittel der EU, des Bundes und des Saarlandes gefördert und in enger Zusammenarbeit mit der Bauwirtschaft ausgeführt. Der Einstieg in das Bauingenieurwesen erfolgte über eine Ausbildung zum Bauzeichner, Studium Bauingenieurwesen und einer mehrjährigen Tätigkeit in Baufirmen im Bereich Bauleitung, Arbeitsvorbereitung und Akquisition und Kalkulation von Bauprojekten.
Zurzeit ist Peter Böttcher zusätzlich in folgenden Arbeitskreisen tätig:
› Mitglied im Vorstand des Fachbereichstages Bauingenieurwesen
› Mitglied im Fachausschuss Baubetrieb und Bauwirtschaft
› buildingSMART e.V. - Besser Planen mit BIM
› Dozentenfachgespräche des Verbandes baugewerblicher Unternehmer Hessen
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