Bauingenieurwesen - mehr als Brücken bauen
Ein Beitrag von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Brameshuber, RWTH Aachen University, Lehrstuhl für Baustoffkunde/Fachbereich Bauingenieurwesen
Viele bezeichnen den Bauingenieur als Architekten, dabei sind die Berufe doch so unterschiedlich! Das Berufsfeld des Bauingenieurs hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert. So sind beispielsweise an der RWTH Aachen University die Studiengänge Umweltingenieurwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Bauingenieurwesen sowie Mobilität und Verkehr hinzugekommen.
Der Job eines Bauingenieurs hat mittlerweile sehr unterschiedliche Facetten: Zu den traditionellen Aufgaben gehören neben der Planung, Bemessung und Konstruktion von Bauwerken auch die Steuerung von komplexen Bauprozessen, die Wasserwirtschaft sowie die Städte- und Raumplanung.
› Baustelle U-Bahnhof Heumarkt in Köln
Darüber hinaus werden die Studierenden unter der Federführung der Bauingenieure in den interdisziplinären Studiengängen der Umweltingenieurwissenschaften mit den Schwerpunkten energieeffiziente Gebäudetechnik, Abfallbehandlung und -entsorgung, Rohstoffeinsatz und Recycling, Gewässerschutz, und Wasserbau und Wasserwirtschaft ausgebildet. Die Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Bauingenieurwesen haben ein Gleichgewicht aus bautechnischen und ökonomischen Inhalten. Der Studiengang Mobilität und Verkehr legt die Schwerpunkte auf die Infrastrukturentwicklung, den Fahrzeugbau und die ökonomischen, psychologischen und gesellschaftlichen Aspekte.
Das Berufsfeld »Bauingenieur«
Der heutige Bauingenieur hat unabhängig von der im Studium gewählten Richtung in den kommenden Jahren hervorragende Berufsaussichten. Ob nun in kleineren Ingenieurbüros, mittelständischen Bauunternehmen, riesigen Beratungsgesellschaften oder weltweit agierenden Baukonzernen, ein Bauingenieur mit einer breiten Fachausbildung wird direkt nach dem Studium seinen Platz finden, um dann an der gewählten Karriere zu arbeiten. Dabei wird der ökonomisch ausgebildete, wirtschaftswissenschaftliche Bauingenieur mit seinen Neigungen vielleicht eher im Bereich des Bauprozessmanagements oder auch im Bereich der Bauaufsicht/bauenden Behörden arbeiten, der stärker technisch orientierte, klassische Bauingenieur kann bei der Planung und Konstruktion von Bauwerken einschließlich der Bauleitung bei technisch komplexen Bauaufgaben seine Fähigkeiten einbringen. Hier liegt dann auch die Schnittstelle zum Experten im Bauprozessmanagement. Der stärker wasserwirtschaftlich ausgebildete Bauingenieur sucht seine Aufgaben in der Planung der Ver- und Entsorgung einschließlich der Methodik zur Abwasserbehandlung, wobei hier dann bereits die Schnittstelle zu den Umweltingenieurwissenschaften liegt. Ressourcenschutz, Emissionshandel und Klimawandel sind drei Schlagworte, die weltweit immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die Planung und der Bau von Infrastrukturmaßnahmen zur Verbesserung der jetzigen Situation in der Welt erfordern eine ingenieurwissenschaftliche wie auch eine ökologische Ausbildung, die sowohl bei den entsprechenden Planungsgesellschaften als auch bei weltweit agierenden Konzernen bei der Einstellung eine wichtige Rolle spielt.
› Herstellung bewehrtes Kalksandstein-Mauerwerk
Ähnlich ist es mit der Frage der Mobilität, welche eine der globalen Herausforderungen der Zukunft sein wird. Infrastruktur und Fahrzeuge verschmelzen hier zu einer Einheit, um langfristig zu nachhaltigen Lösungen für die Sicherstellung einer ökologischen und ökonomischen Mobilität zu kommen. Der Anteil von Frauen sowohl im Bauingenieur-Studium als auch im späteren Berufsleben liegt im Vergleich zu anderen ingenieurwissenschaftlichen Bereichen weit über dem Durchschnitt. Im Studium sind inzwischen mehr als ein Drittel der Studierenden weiblich, die Chancen für Frauen im Bauingenieurwesen sind hervorragend.
»Bauingenieurwesen« studieren
Die vier genannten Studiengänge, welche von der Fakultät für Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen University angeboten werden, münden zunächst in einem relativ breit angelegten und grundlagenorientierten Bachelorabschluss. Die Fakultät für Bauingenieurwesen empfiehlt die Fortsetzung des Studiums mit entsprechender Vertiefung im Masterbereich. Der Masterstudiengang Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen University bietet insgesamt acht Schwerpunkte: Bauprozessmanagement, Tunnelbau und Geotechnik, konstruktiver Wasserbau, konstruktiver Ingenieurbau, konstruktiver Hochbau, Wasserwirtschaft, Städtebau und Raumplanung, Baustoffwissenschaften. Diese Schwerpunkte bieten eine beachtenswerte Wahlmöglichkeit verschiedenster Veranstaltungen, um so seinen eigenen Neigungen nachgehen zu können. Beim Masterstudiengang Umweltingenieurwissenschaften werden fünf Schwerpunkte angeboten (Energie und Umwelt im Bauwesen, Urban Water, Water Ressources Management, Umweltverfahrenstechnik, Recycling). Der Wirtschaftsingenieur mit Fachrichtung Bauingenieurwesen führt im Masterstudium die bereits im Bachelorstudium angebotenen vier Schwerpunkte (konstruktiver Ingenieurbau, Wasserwesen, Baubetrieb und Geotechnik, Verkehr und Raumplanung) mit Vertiefung fort. Das Masterstudium der Fachrichtung Mobilität und Verkehr lässt sich in folgende sechs Schwerpunkte aufteilen: Verkehrsplanung und Infrastruktur, Bahnsystemingenieur, Transportlogistik, Straße und Kraftfahrzeug, Mobilität von Personen, Airport und Luftfahrt, wobei in diesen Schwerpunkten gewisse Überschneidungen jeweils gewollt sind.
› Röntgendiffraktometer mineralischer Baustoffe
Der Abschluss des Master of Science (M.Sc.) ist Voraussetzung für eine wissenschaftliche Karriere. Die Entwicklung von Methoden, das Erforschen neuer Baustoffe, das Zusammenfügen einzelner Bausteine zu einem Ganzen, die Feststellung ökologischer Auswirkungen, die Entwicklung neuer Verfahren, die Optimierung zum ressourcenschonenden Bauen, um nur einige Möglichkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens zu nennen, setzen eine gewisse Neugier und viel Wissensdurst voraus. Am Ende solcher Arbeiten steht dann die Promotion, welche für die Karriere in den oben genannten Bereichen sicher eine hervorragende Grundlage ist. Und wer weiß, wie sich das eigene Berufsleben entwickelt. Vielleicht kommt der/die eine oder andere nach einigen Jahren in der Praxis wieder zurück zur Wissenschaft.
Schlussbemerkung
Das Angebot der verschiedenen Studiengänge im Bereich Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen University hat sich sehr spezifiziert, um den Gegebenheiten und den Entwicklungen von Umwelt und Gesellschaft Rechnung tragen zu können. Es zeigt aber auch, welchen Herausforderungen sich der Bauingenieur/ die Bauingenieurin in der Zukunft stellen muss und auch will. Bauingenieure/-innen gestalten in sehr sichtbarer Form die Zukunft unserer Gesellschaft. Eine gute Ausbildung zum Bauingenieur an der RWTH Aachen University ist eine zukunftsorientierte Grundlage für die nach dem Studium folgenden Berufsjahre.
› /1/ www.fb3.rwth-aachen.de
› Bildquellen: RWTH Aachen University
Kurzvita
Prof. Wolfgang Brameshuber (16.09.2016 verstorben) war nach seiner Promotion zwei Jahre vor Ort im Tunnelbau für das Ingenieurbüro BUNG Heidelberg tätig. Danach leitete er von 1991 bis 1998 das zentrale Labor der Bilfinger Berger Bauaktiengesellschaft und war somit Berater in baustofftechnologischen Fragen international und national für die Baustellen des Konzerns. Gleichzeitig war er verantwortlich für die Forschungs- und Entwicklungsaufgaben im Bereich der Baustoffe. Seit 1999 ist Prof. Wolfgang Brameshuber Leiter des Lehrstuhls für Baustoffkunde der Fakultät für Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen University. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Entwicklung von Hochleistungsbetonen, der Einsatz von industriellen Nebenprodukten in Beton, die Dauerhaftigkeit von mineralischen Baustoffen, die Umweltverträglichkeit von Baustoffen, die Produktionstechnik von Betonbauteilen, die Tragfähigkeit von Mauerwerk und die Entwicklung neuer Materialien für das Mauerwerk. Prof. Wolfgang Brameshuber ist u. a. in den Gremien Betontechnologie, Wandbaustoffe und Umweltschutz Sachverständiger des Deutschen Instituts für Bautechnik, deutscher Delegierter und Mitglied des Büros von RILEM. Ferner arbeitet er in vielen Normungsgremien zum Beton und Mauerwerk mit.
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