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Bewerbungstraining für Studierende der Ingenieurwissenschaften aus Sicht einer Trainerin

Ein Beitrag von Dr. Karin Joiko, Technische Universität Dresden

Ingenieurstudentinnen und -studenten in Deutschland sind meist fachlich hervorragend ausgebildet. Dennoch finden einige nur schwer eine passende Anstellung nach dem Studium, von ihrem »Traumjob« ganz zu schweigen. Die hohe Nachfrage nach Ingenieuren am Arbeitsmarkt führt oftmals zu Sorglosigkeit. Einige Studenten beschäftigen sich zu wenig mit ihrer beruflichen Zukunft. Jedoch kann jeder sein Schicksal auch mehr oder weniger selbst beeinflussen.

Seit über zwanzig Jahren führe ich im Rahmen der Lehrveranstaltungen für das »Studium generale« mit Studentinnen und Studenten technischer Studienrichtungen an der TU Dresden Bewerbungstrainings durch. Die Nachfrage nach Teilnahmeplätzen sowie zahlreiche positive Rückmeldungen von erfolgreichen Bewerberinnen und Bewerbern zeigen, dass diese Lehrveranstaltung eine sinnvolle Vorbereitung auf die Arbeitswelt ist. Dieses 30-stündige Training beinhaltet: Die Bewerbungsunterlagen, die Vorbereitung des Vorstellungsgesprächs sowie Übungen zum Assessment Center. Im Folgenden sind die aus meiner Sicht wichtigsten Aspekte genannt, die Studenten und junge Akademiker für ihre Bewerbung beachten sollten.

1. Die Suche nach dem Job beginnt bei dem Bewerber selbst

Nur wenige Studenten wissen bereits während ihres Studiums, in welcher Branche sie als Absolvent welcher Tätigkeit nachgehen möchten. Meist kennen sie wenig ihre Neigungen, ihre besonderen Fähigkeiten, ihre sozialen Qualitäten. Ein Berater benötigt andere Voraussetzungen als ein wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Forschungszentrum. Eine Sicht in das eigene Innere führt zu Klarheit über sich selbst, über eigene Wünsche und Bestrebungen. Diesem Blick sollten sich Studenten stellen.

Ingenieurwesen - Technische Universität Dresden › Assessment Center-Situation

Hilfreich für die spätere Jobfindung ist es, schon während des Studiums Zukunftspläne zu schmieden: Als was will ich künftig arbeiten? Was will ich in fünf, in zehn, vielleicht sogar in zwanzig Jahren tun? Wie alt bin ich dann, was will ich dann persönlich erreicht haben? Wie stelle ich mir meine Zukunft hinsichtlich Familie, Kinder, Auslandsaufenthalt, sportliche Betätigungen, Kümmern um Eltern/Großeltern, Ehrenamt u. ä. vor? Wie flexibel und mobil bin ich? Möchte ich Führungsverantwortung übernehmen? Was bedeutet das? - Personalverantwortung beinhaltet meist ein gutes Gehalt, aber auch, schlimmstenfalls Entlassungsgespräche führen zu müssen. Kann ich das? - In welcher Branche will ich tätig sein? Welche Zukunftschancen hat diese?

Wenn sich Studenten ehrlich ihren inneren Einstellungen und Wünschen stellen, können sie zielstrebig passende Lehrveranstaltungen besuchen und Praktika absolvieren, sich für den Bachelor- oder Masterabschluss entscheiden. Das nutzt letztlich auch, inhaltlich erfolgreiche Bewerbungen zu versenden. Mit interessanten und branchenbezogenen Lebensläufen sowie An- und Motivationsschreiben werden Bewerber bevorzugte Kandidaten für ein Vorstellungsgespräch oder für eine Einladung zum Assessment Center.

Die Vielfalt der Literatur- bzw. Internetangebote zum Thema Bewerbung wirkt auf viele Studenten eher verwirrend. Ihre aufwändige Suche nach »Best Practice« hält sie von der schwierigsten Aufgabe ab: sich mit sich selbst zu beschäftigen.

2. Der erste Eindruck zählt

Beim ersten Kontakt von Menschen, die zueinander eine gute Beziehung aufbauen wollen, geht es zunächst um das Werben um Sympathie. Die positive Einstellung zu einem Menschen geschieht eher unbewusst auf der emotionalen Ebene. Der erste Eindruck vom anderen entsteht in wenigen Sekunden.

Schon die zielgerichteten Inhalte und Formulierungen, sowie auch das Foto in der Bewerbung - ob diese nun online oder als Bewerbungsmappe versendet wird - führen beim Leser zu einer fachlichen und emotionalen Wertung. Ziel des Bewerbers ist es, dass der Adressat überrascht sagt: »Wow. Diese Frau bzw. diesen Mann will ich kennen lernen!« Für eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch oder ins Assessment Center gilt das Folgende gleichermaßen.

Insbesondere das erste Treffen, das ist meist das Vorstellungsgespräch, wird sehr stark vom ersten Eindruck bestimmt. Entscheidend für das Bild vom anderen sind korrektes Auftreten, sozial kompetentes Verhalten und angemessene Kleidung. Carl Zuckmeyer hat es sinngemäß so ausgedrückt: Wie du kommst gegangen, so wirst du empfangen. Mehrfach haben Studenten berichtet, dass sie gleich zu Beginn eines Vorstellungsgespräches auf einen Fauxpas hingewiesen wurden: sie haben dem Personalberater zuerst die Hand gereicht! Ein solcher Einstieg ist keine gute Basis für den ersten Auftritt.

Die Umgangsformen in der Arbeitswelt verändern sich. Aber es gibt langgültige Regeln, die Absolventen beherrschen sollten. Sie gelten allgemein für das Auftreten in der zivilen Gesellschaft, natürlich auch an der Hochschule. Eine Grundsatz ist z. B., dass der Ranghöhere bzw. der Gastgeber entscheidet, ob er zum Gruß einen Körperkontakt herstellen (= Handgeben) will oder nicht. Das Handreichen ist eine persönliche Geste, die in Unternehmen sehr unterschiedlich angewandt wird. Frauen und Männer werden in der Arbeitswelt gleichberechtigt behandelt. Bewerberinnen und Bewerber haben es beim Vorstellungsgespräch eigentlich ganz einfach: sie geben niemals zuerst die Hand.

3. Im Vorstellungsgespräch geht es um mehr als um Leistungen

Die Frage auf der Seite des Unternehmens heißt: Passt der Bewerber zu uns, zum Team? Erst danach spielen Einzelheiten zu fachlichem Können, Fähigkeiten, Anforderungen und letztlich die Gehaltsfrage eine Rolle. Schließlich hat ja die Bewerbung mit ihren Inhalten überzeugt und zur Einladung geführt. Andererseits soll der Bewerber auch für sich entscheiden, ob er in diesem Unternehmen arbeiten möchte.

Voraussetzung für sowohl eine erfolgreiche schriftliche Bewerbung als auch vor allem für das Vorstellungsgespräch ist die Motivation des Bewerbers. Es ist wie bei der Partnerwahl, der Bewerber muss zeigen: »Du gefällst mir. Ich will mit dir leben!« Und wenn ihm doch noch jemand anderes gefällt, sollte er tunlichst diese Gedanken verdrängen. Wer von dem Jobangebot, der Firma, den Mitarbeitern nicht selbst überzeugt ist, kann kaum die anderen von sich überzeugen. Viele Bewerber meinen, die Firma müsse vor allem ihre Interessen erfüllen. Ein einfaches Gedankenexperiment hilft, sich »auf die andere Seite zu stellen«. Ein Bewerber soll sich vorstellen, er hat eine tolle Geschäftsidee, sei auf wundersame Weise zu einem Vermögen gekommen und hat eine Firma gegründet. Er sucht Mitarbeiter. Welche Anforderungen stellt er an diese? Für wen wird er sich wohl entscheiden?

Ingenieurwesen - Technische Universität Dresden › Assessment Center-Situation

Allein ein guter Notenspiegel auf dem Zeugnis ist kein Garant für eine gute Stelle. Hinter Sätzen von Bewerbern wie - »Die anderen werden schon merken, was ich kann.« »Ich überzeuge durch Leistung, nicht durch Äußerlichkeiten.« - verstecken sich manchmal eher gehemmte oder arrogante Persönlichkeiten. Dabei ist Selbstmarketing gefragt. Der Bewerber muss zeigen, was außer guten Leistungen in ihm steckt. Der künftige Mitarbeiter wird sich unterschiedlichen Situationen anpassen müssen und mit verschieden Menschen innerhalb und außerhalb des Unternehmens zusammen arbeiten. Neben Soft Skills sind unternehmerisches Denken und Handeln gute Fähigkeiten, um von sich zu überzeugen. Für die Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch sind die oben die genannten Fragen, die sich der Bewerber für seine Zukunft stellen sollte, hilfreich. Aber auch die Auseinandersetzung mit weiteren möglichen Fragen des Unternehmens wird dem Bewerber empfohlen: Warum wollen Sie bei uns arbeiten? Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft bei uns vor? Wie sehen Sie die Zukunft unserer Branche? Um wirtschaftliche Zusammenhänge zu kennen und auch die Sprache der Unternehmen zu sprechen, ist es hilfreich, während des gesamten Studiums, spätestens im letzten halben Jahr, Fachzeitschriften und Wirtschaftsnachrichten zu lesen und sich mit der Komplexität der Arbeitswelt zu beschäftigen. Eine sehr gute Grundlage sind auch branchenbezogene Praktika - bestenfalls im Ausland. Auch Nebenjobs können Bewerber sinnvoll verwerten. Ein Aushilfskellner ist nur dann erfolgreich, wenn er kundenorientiert agiert. Erfahrungen sammeln wir überall, selbst, wenn wir Fehler machen. Für eine Bewerbung können sinnvolle Erkenntnisse gezielt eingesetzt werden.

Immer wieder spielt die Frage nach Stärken und Schwächen eine Rolle. Sie dient dazu, die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung zu prüfen. Darauf sollten sich Bewerber gründlich vorbereiten. Vorschläge aus dem Internet sind da nicht sehr hilfreich. Die Empfehlung ist, je zwei bis drei wirkliche eigene Stärken und Schwächen zu artikulieren. Diese sollten mit Beispielen aus bisherigen Tätigkeiten, dem Studium, Ehrenämtern oder Praktika unterlegt werden. Mit kritischen Partnern, Freunden oder Eltern sollten sie abgeglichen werden. Die Gesprächspartner wollen sehen, dass ihr Bild vom Bewerber auch mit dessen Selbstwahrnehmung weitgehend übereinstimmt. Es gibt immer eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild. Diese ist nicht selten Anlass für spätere Auseinandersetzungen. Eine gute Selbstreflexion kann uns vor ungewollten Situationen schützen.

4. Bewerben üben, schadet nicht

Bewerbungstrainings »zwingen« die Teilnehmer, sich den genannten Inhalten zu stellen. Rollenspiele mit Videoauswertung, in denen die Studenten sowohl Bewerber als auch Arbeitgeberseite verkörpern, zeigen eindrucksvoll, welches Verhalten sehr gut aufgenommen wird und wo noch Verbesserungsbedarf besteht. Ein solches Training zu absolvieren, bringt jedem Erkenntnisgewinn.

5. Empfehlungen für eine gelungene Bewerbung

› 1. Listen Sie Ihre Fähigkeiten, Kenntnisse, Erfolge, Ziele, Wünsche detailliert auf.
› 2. Suchen Sie nicht rastlos im Internet nach fertigen Bewerbungen oder Empfehlungen. Sehen Sie sich ein bis zwei Literaturquellen an und: Fangen Sie an! Verwenden Sie keine vorgefertigten, sondern formulieren Sie individuelle Schreiben.
› 3. Informieren Sie sich intensiv über den künftigen Arbeitgeber.
› 4. Verinnerlichen Sie in Anlehnung an den berühmten Ausspruch von John F. Kennedy den Grundsatz: Frage nicht, was der künftige Arbeitgeber für dich tun kann, sondern, was du für deinen künftigen Arbeitgeber tun kannst.
› 5. Sie entscheiden am Ende, ob Sie ein Jobangebot annehmen.

› Im Text werden die Begriffe Studentin/Student, Bewerberin/Bewerber u. ä. synonym verwendet.

Kurzvita

Dr. rer. nat. Karin Joiko
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Technische Universität Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Technische Logistik und Arbeitssysteme
Professur für Arbeitswissenschaft
Ingenieurwesen
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Die Technische Universität Dresden berichtet über die Karriere im Ingenieurwesen!

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