Berufliche Perspektiven der »Produktion und Logistik«
Ein Beitrag von Prof. Dr. Christoph von Uthmann, Fachbereich Technik, FH-Bielefeld
Produktion und Logistik (P&L) ist ein höchst spannendes und perspektivenreiches Berufsfeld für (Wirtschafts-)IngenieureInnen, (Wirtschafts-)InformatikerInnen und BetriebswirteInnen. Die Bandbreite reicht von »handfester« Fertigungsteuerung über die Realisierung der »Smart Factory« (Industrie 4.0) bis zum strategischen Management weltweit verteilter agiler Produktionsnetzwerke bzw. Supply Chains.
»Drehachse« von Industriebetrieben
Produktion im engeren Sinne bezeichnet die Herstellung von Zwischen- und Endprodukten. Logistik sorgt bei der Produktion für die »6R«, also dafür, dass das richtige Material, in der richtigen Qualität, in der richtigen Menge, zur richtigen Zeit, am richtigen Arbeits-/Maschinenplatz, zu den richtigen (minimalen) Kosten bereitgestellt wird. Sie umfasst die Elementaraufgaben Transport, Umschlag und Lager (TUL). Unterschieden wird die Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik.
Produktion und Logistik sind eng miteinander verzahnt und weisen eine große Schnittmenge auf.
P&L ist gewissermaßen die »Drehachse« von Industriebetrieben, die sämtliche für den Erfolg aufgebrachten »PS auf die Straße bringt«. In der Regel ist P&L in einem oder mehreren Unternehmensführungs-Ressorts verankert. Industrieunternehmen agieren oft in globalen Produktionsnetzwerken mit ggf. mehrstufigen Liefer- und Distributionsketten (Supply Chains), so dass P&L auch überbetrieblich zu verstehen ist.
Vielfältige interdisziplinäre Aufgabenfelder
Die zentrale Positionierung von P&L eröffnet ein entsprechend breites und tiefes berufliches Aufgabenspektrum. Dabei kann schematisch zwischen sechs P&L-Kern-Aufgabenfeldern unterschieden werden (Abb. 2). Beim linken Zweig PPS (1) geht es ausgehend von Kundenaufträgen oder Absatzprognosen um die Planung und Umsetzung von Produktionsprogrammen. Der rechte Zweig (2) enthält Ingenieur-Aufgaben zur Realisierung des technischen Herstellungsprozesses. Die Y-Form verdeutlicht, dass die jeweiligen Planungen (3) in der Fertigung (inkl. Montage, Prozessindustrie) zusammenlaufen (4). Wie oben skizziert muss die Logistik (5) mit der Produktion verzahnt sein.
Integraler Bestandteil der P&L ist die Optimierung der Rechner-Unterstützung bzw. Automatisierung (IT-Management, P&L-Informatik) sowie das P&L-bezogene Qualitätsmanagement und Controlling (6).
»P&L ist traditionell eines der größten Berufsfelder mit vielfältigen anspruchsvollen Tätigkeitsprofilen.«
Hinsichtlich des Bezugs von Studiengängen zu Studiengängen lässt sich tendenziell sagen, dass das Wirtschaftsingenieur- und Wirtschaftsinformatik-Absolventen ihre Stärken in der breiten Abdeckung und Integration der relevanten Aufgabenfeldern haben, während Ingenieure und Informatiker die technischen Aufgaben tiefer bearbeiten können. Auch BWL-Absolventen sind in der P&L häufig zu finden, insbesondere an den Schnittstellen zu kaufmännischen Aufgaben.
Aufgrund der starken Verzahnung und Überlappung sind Wechsel zwischen P&L-Aufgabenfeldern und die Erweiterungen des eigenen Tätigkeits- und Kompetenzspektrums die Regel, mit zunehmender Berufserfahrung oft hin zu integrierenden Management-Tätigkeiten. Karrierepfad mit garantierter Spannung und Zukunftspotential P&L ist traditionell eines der größten Berufsfelder mit vielfältigen anspruchsvollen Tätigkeitsprofilen, hohem weiter zunehmenden Bedarf an Akademikern, überdurchschnittlichen Gehältern und sehr guten, auch internationalen Entwicklungsmöglichkeiten.
»Als reizvoll empfinden es viele, dass man in der P&L direkt am Output des Betriebs mitwirkt.«
Aufgrund seiner Drehachsen-Position bildet P&L die Speerspitze technologischer und organisatorischer Neuerungen. Aktuelle Schlagworte hierzu sind »Industrie 4.0« bzw. »Smart Factory«. Dabei geht es um die Optimierung der inner- und überbetrieblichen P&L auf Basis neuer Informationstechnologien. Neben ambitionierten Steigerungen der Effektivität, Effizienz und Agilität (Anpassungsfähigkeit an sich schnell ändernde Marktbedingungen) wird auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen verfolgt.
Spannung ist dabei garantiert. So gilt es, trotz naturgemäß ständig eintretender Änderungen die Produktion entlang harter Termine möglichst unterbrechungsfrei am Laufen zu halten (»Material muss fließen«) und das »Magische Dreieck« aus Qualität, Zeit und Kosten zu optimieren. Damit einhergehend ist P&L ein eher »hemdsärmeliges« Arbeitsumfeld, in dem es oft auf schnelles Entscheiden, »Troubleshooting« und »handfestes Zupacken« ankommt. Eine entsprechend »robuste« Persönlichkeit und die Bereitschaft zu Überstunden und ggf. auch Nachteinsätzen sind Voraussetzungen für Freude an P&L-Berufsfeld.
Als reizvoll empfinden es viele, dass man in der P&L direkt am Output des Betriebs mitwirkt, sehr schnell Verantwortung übertragen bekommt und seine Arbeit »anfassbare« Resultate erzeugt - z.B. qualitäts- und zeitgerecht erzeugte Produkte oder (im schlechten Fall) zunehmende Warteschlangen und Warenbeständen. Was die P&L-Mitarbeiter vereint, ist ihre Begeisterung für gut funktionierende Fertigungsprozesse und Materialflüsse.
Zielstrebige Verfolgung des Berufsziels P&L
Wem das skizzierte Berufsbild zusagt, sollte in seinem Studium und Praktika darauf achten, dass nicht nur deutliche Schwerpunkte in bestimmten Aufgabenfeldern (ggf. auch bestimmte Zweige wie z.B. Chemie, Holzindustrie), sondern alle sechs Aufgabenfelder in Abb. 2 abgedeckt sind. Die Drehachsenrolle der P&L erfordert die Kommunikation zu sehr vielen unterschiedlichen Schnittstellen-Bereichen.
»Langfristige Karriere-Perspektiven sind mit Master-Titel besser einzuschätzen.«
Für eine gute Zusammenarbeit und die Akzeptanz ist es wichtig, die jeweils anderen Problemstellungen, Denk- und Begriffswelten zu kennen. Essenziell für einen guten Berufseinstieg in P&L sind Studien- Arbeiten im Rahmen einschlägiger Projekte vor Ort in Industrieunternehmen (nicht Literaturarbeiten).
Wichtig ist außerdem die Wertschätzung der sog. »operativen Ebene« - selbst höhere Führungskräfte kennen Fertigungstechnologien und die einzelnen Arbeitsgänge gut und haben häufig direkten Kontakt zu Werkstatt-Mitarbeitern. Daher wird es positiv gesehen, wenn Studierende in Praktika auch »Tuchfühlung« mit der Werkstatt hatten.
Nach wie vor sehen viele Industrieunternehmen (»zu«) junge BA-Absolventen skeptisch. Auch die langfristigen Karriere-Perspektiven sind mit Master-Titel besser einzuschätzen. Eine interessante Möglichkeit ist ein Berufseinstieg nach dem Bachelor (z.B. im Nachgang einer BA-Arbeit) und eine Aufnahme eines Master-Studiums nach 2-3 Jahren Berufspraxis. Hierfür gibt es in Deutschland und im Ausland auch auf P&L spezialisierte Angebote.
Kurzvita
Prof. Dr. Christoph von Uthmann ist Professor am Fachbereich Technik der FH Bielefeld. Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen im Prozess- und IT-Management, Controlling, Projektmanagement sowie Produktions- und Logistikmanagement und Energiewirtschaft. Ausgehend von einem Wirtschaftsingenieur-Studium und einer Promotion in Wirtschaftsinformatik übernahm von Uthmann 13 Jahre leitende Tätigkeiten bei ABB, Volkswagen sowie bei den renommierten Beratungshäusern Droege Comp. und Corporate Transformation Group (CTG).