Marketingverantwortliche brauchen mehr Mut!
Ein Beitrag von Prof. Dr. Ralf Strauss, Präsident des Deutschen Marketing Verbands (DMV), HSBA Hamburg School of Business Administration
»Digitalisierung, Netzwerkgesellschaft, neue Arbeitswelten - Schlagwörter des technologischen, ökonomischen und sozialen Wandels, in dem sich Unternehmen heute befinden. Vor welchen großen Herausforderungen auch das Marketing steht, haben wir im DMV jetzt mit der Studie »Marketingorganisation der Zukunft«1 untersucht.
Basis unserer Studie waren eine umfangreiche Online-Umfrage sowie Einzelinterviews und Think-Tanks. Zusammen mit den Autoren und Zukunftsforschern BathenJelden wollten wir verstehen, wie Organisationen im 21. Jahrhundert arbeiten und Optionen für eine zukünftige Aufstellung des Marketings aufzeigen. Eines ist mir dabei sehr klar geworden:
Patentrezepte gibt es nicht - aber viele Denkanstöße und notwendige Diskussionen!
Was bringt die Zukunft? - Zwischen Kanalexplosion und rasanten Datenmengen braucht es neue Kompetenzen
Für die Studie wurden eine umfangreiche Online-Umfrage sowie Einzelinterviews und viele Diskussionen im Think-Tank durchgeführt. Die größten Herausforderungen für das Marketing fassen die Teilnehmer in der fortschreitenden Digitalisierung zusammen und den damit einhergehenden steigenden Datenmengen, wachsenden Touchpoints und höheren Geschwindigkeiten. Des Weiteren werden neue Kompetenzen genannt, die sich Marketingverantwortliche aneignen müssen, um sich auf neue Arbeitswelten einzustellen. Netzwerken, Filtern, Experimentieren und Lernen sind unerlässlich, um in neuen, flexiblen, globalen Arbeitswelten den Überblick zu behalten.
Wie relevant bleibt die Marketingabteilung? - Zwischen den Anforderungsstühlen
Um im Unternehmen bedeutungsvoller zu werden oder zumindest relevant zu bleiben, muss sich die Marketingorganisation verändern. Denn nur 23 Prozent der Befragungsteilnehmer aus Unternehmen glauben, dass ihre Abteilung in der jetzigen Form gut für die Zukunft aufgestellt sei, immerhin knapp die Hälfte (48%) glaubt, kleinere Korrekturen könnten schon viel bewirken. Gleichzeitig gehen über 90 Prozent der befragten Unternehmensvertreter davon aus, dass Marketing im digitalen Wandel unternehmensintern an Bedeutung gewinnt (60%) oder die Relevanz der Abteilung zumindest stabil bleibt (33%). Das müssen wir als klaren Call-to-Action verstehen.
Was sind die Hemmnisse für eine Veränderung? - Raus aus der Komfortzone!
Dennoch: Organisationsveränderungen brauchen sehr viel Zeit, bis sie greifen. Aus eigener Erfahrung als Marketingleiter von SAP in Deutschland und Zentraleuropa weiß ich, dass Veränderungen in Organisationen stets viel Zeit und Kommunikation erfordern. Damit verbunden sind Tätigkeiten, die zunächst nur wenig Wertschätzung erfahren. Daher muss hierfür jeder von uns stückweise seine Komfortzone verlassen. Fragt man in den Unternehmen nach den Barrieren, die der Umsetzung eines zukunftsorientierten Change-Prozesses entgegenstehen, sind dies: Zeit, Mut und Mitmenschen. So klagt die Hälfte der Befragten über eine zu hohe Auslastung im Tagesgeschäft. Hindernd wirken zudem Mitarbeiter und Kollegen, die zu sehr an Vertrautem festhalten (46%) und der fehlende Mut in Führungsetagen (36%).
Was müssen Marketer in Zukunft können? - Beweglich bleiben, das neue Umarmen und aus Fehlern lernen
Auch zukünftig gilt: Wer im Marketing arbeitet, muss sein Handwerkszeug verstehen. So nennen die Befragten fachliche Skills wie fundiertes Marketing-Know-How (48%), Kunden- und Marktwissen (24%) sowie analytisch-strategische Arbeitsweise (23%) als wichtigste Zukunftskompetenzen. Darüber hinaus spielen weitere Eigenschaften und Fähigkeiten eine immer wichtigere Rolle: Vernetzungskompetenz (41%), Lernbereitschaft und Offenheit Neuem gegenüber (28%) sowie Querdenken und damit Inspirieren (27%). Beweglichkeit im Kopf und Denken ist gefragt. Das erfordert die Fähigkeit zur Selbstkritik und die Bereitschaft, etablierte Prozesse, Denkweisen und Fähigkeiten kontinuierlich zu hinterfragen.
Junge Helden gesucht - wer kann handeln?
Wer sind die Multitalente, die das Heft des Handelns in die Hand nehmen sollen? Die Antworten deuten auf eine gegenwärtige Unsicherheit vieler Marketingverantwortlicher hin: Junge Talente (24%) und nicht etwa CEOs (20%) werden als wichtigste Treiber für notwendige Veränderungen gesehen. Und sogar nur 14 Prozent glauben, dass der Chief Marketing Officer (oder die Marketingleitung) im Unternehmen die Neuausrichtung vorantreiben kann. Als Berufsverband des Marketing- Managements sind auch wir gefragt, Orientierung zu geben sowie Unterstützung für Marketingverantwortliche, mehr Gestaltungsmacht zu erlangen.
Gibt es Lösungsfelder? - Die sieben Schritte in den Aufbruch
Keine Zeit für Neues? Keine Ahnung, wer es machen soll? Verständlich, dass es unter dem Druck des Tagesgeschäfts oft schwer fällt, für mehr als operative Kommunikationsaufgaben zuständig zu sein. Wer jedoch nachhaltige Veränderungen einleiten will, braucht Freiräume und neue Arbeitsweisen. Deshalb haben wir sieben Schritte formuliert, die den Aufbruch erleichtern sollen.
Wer die Zukunft mitgestalten will, ist gefordert, für sich Klarheit zu schaffen und die Rolle des Marketings in der Organisation neu zu definieren. Ich wünsche uns eine starke Haltung - um nicht nur kurzfristig aufmerksamkeitsstarke Kampagnen und Einzelmaßnahmen zu starten, sondern mehr grundlegend und strukturell in die Organisation einzugreifen! Studienherausgeber: Deutscher Marketing Verband e.V.
Als Berufsverband des Marketing-Managements und Dachorganisation der 65 Marketing Clubs in Deutschland und Österreich vertritt der DMV die Interessen von über 14.000 Führungskräften und marketingorientierten Unternehmen.
› www.marketingverband.de
THINK-TANK-Initiatoren und Studienautoren: BathenJelden - Experten für Ausblicke und Aufbrüche
Als unabhängige Zukunftsforscher, Organisationsentwickler und Innovationsberater begleiten Dirk Bathen und Jörg Jelden Unternehmen im Übergang. Kunden unterschiedlicher Branchen kommen zu ihnen, um in unsicheren Zeiten besser zu entscheiden, über ein gemeinsames Zukunftsverständnis besser zusammenzuarbeiten, neue Chancen zu identifizieren und schneller vom Wissen ins Handeln zu kommen.
› www.marketingorganisation-derzukunft.de/
› 1 (www.marketingverband.de/derdmv/studien/marketingorganisation-derzukunft/)
Kurzvita
Ralf E. Strauß ist seit November 2013 Präsident des Deutschen Marketing Verbands. Zudem ist er Professor für Digitales Marketing & E-Business an der Hamburg School of Business Administration (HSBA) und Managing Partner der auf Marketing, Vertrieb und Service spezialisierten Unternehmensberatung Customer Excellence GmbH sowie Initiator und Chairman der deutschlandweiten CMO Community. Als Senior Vice President hat er zwischen 2011 und 2012 die Transformation von Marketing und Vertrieb für den Volkswagen-Konzern verantwortet. Er war seit 2008 globaler Leiter des Produktmanagements CRM Marketing und zuvor langjähriger Chief Marketing Officer der SAP in Deutschland und Zentraleuropa. Er kann auf mehrjährige Erfahrungen in Marketing-, Vertriebs- und E-Business-Projekten in der Unternehmensberatung zurückblicken und verfügt über umfassende Projekterfahrung im Bereich der strategischen Planung, Marketing-/ Vertriebs-Transformation, Reorganisation, Firmen- und Neuprodukt-Launch, der digitalen Transformation und der IT-Strategie- und Implementierung.