Fluidsystemdynamik - Strömungstechnik in Maschinen und Anlagen - Vom Haartrockner bis zum Flugzeug
Ein Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Paul Uwe Thamsen, Technische Universität Berlin, Fachgebiet Fluidsystemdynamik
Das Berufsfeld der Fluidsystemdynamik erweist sich als äußerst dynamisch und vielfältig. Es erstreckt sich von der Produktion verschiedenster Strömungsmaschinen, wie Pumpen, Turbinen und Ventilatoren, die täglich rund um die Welt von Milliarden Menschen genutzt werden, bis zur Anwendung in der Wasserver- und -entsorgung, der Energie- und Medizintechnik und der Luftfahrt, um nur einige zu nennen.
Der Studiengang Fluidsystemdynamik ist eine Schwerpunktbildung im Rahmen des Studiums des Maschinenbaus. Hier wird der relativ breite Ansatz der Grundlagenfächer des Maschinenbaus mit Fähigkeiten im Bereich der Maschinenelemente, Konstruktion, Thermodynamik, Schwingungslehre usw. durch vertiefende Kenntnisse der Strömungsmaschinen: Ventilatoren, Verdichter, Kreiselpumpen, Turbomaschinen, Turbinen bis hin zu Windenergieanlagen erweitert. Ergänzt werden diese Kenntnisse schließlich durch Inhalte zu den Wechselwirkungen der Strömungsmaschinen in deren Anlagen, wie z.B. komplexe Rohrsysteme und instationäre Druckverhältnisse infolge schneller Druck- oder Volumenstromänderungen.
Die Studieninhalte umfassen demzufolge eine Vielzahl an Methoden kombiniert mit Spezialwissen in einer Nische der Technik. Das Ergebnis ist eine Ausbildung zum Generalisten einerseits, wie auch zum Spezialisten andererseits.
› Projekt »Gläserne Waschmaschine« am Fachgebiet Fluidsystemdynamik
Da Strömungsmaschinen quasi vom »Haartrockner bis zum Flugzeug« eingesetzt werden, ist das spätere Berufsbild breit gefächert. Es werden viele Branchen abgedeckt. Neben den Herstellern der bereits aufgezählten Strömungsmaschinen sind es vor allem auch Branchen die einzelne Strömungsmaschinen in ihren Produkten benötigen: Flugzeugindustrie, PKW- und Motorenhersteller, Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler, Elektromotoren, Heizung, Lüftung und Haustechnik. Dazu kommen die großen Anwender von Strömungsmaschinen, wie beispielsweise die Energieerzeuger mit ihren verschiedenen Kraftwerken - dabei vermehrt auch der Bereich der regenerativen Energie, Öl- und Gasindustrie, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Fernheizung, Schwimmbäder, Bewässerungsanlagen und Schiffbau. Beide Listen lassen sich beliebig fortsetzen.
In den verschiedenen Branchen ergeben sich die unterschiedlichsten Einsatzgebiete sowohl für einen Bachelor- als auch einen Masterabschluss und damit auch diverse Karrieremöglichkeiten.
»Interessant und eine gute Basis für eine Karriere ist ein Einsatz für ›Trouble Shooting‹.«
Bei Herstellern von Strömungsmaschinen ist natürlich der klassische Arbeitsbereich die Konstruktion & Entwicklung, aber es sind durchaus Aufgaben in der Arbeitsvorbereitung, Beschaffung, Produktion und im Prüffeld möglich, in denen sich auch bereits für Bachelorabsolventen aussichtsreiche Jobchancen ergeben.
Interessant und eine gute Basis für eine Karriere ist ein Einsatz für »Trouble Shooting«. Diese Einsätze sind meist international und der Ingenieur bzw. die Ingenieurin ist Spezialist/in und Vertriebsmitarbeiter/in in einer Person.
› Am Fachgebiet Fluidsystemdynamik entwickelte modulare Windenergieanlage
Bei den Anwendern gibt es zahlreiche Aufgabengebiete im Betrieb der Anlagen, aber genauso auch in der Konzeption, Auslegung und Bau neuer Anlagen. Letztlich bestimmt der Kunde über die Beschaffung und Spezifikation das Design der verschiedenen Strömungsmaschinen. Meine eigene Karriere kann durchaus als Beispiel für den beruflichen Werdegang herangezogen werden.
Ich habe den Schwerpunkt Strömungsmaschinen im Rahmen des Maschinenbaus studiert. Spezialisiert habe ich mich auf die Auslegung von Kreiselpumpen, wobei ich alle angebotenen Fächer gehört, sowie dieses Wissen über eine Studienarbeit mit eigenem Studium der relevanten Literatur vertieft habe. Nach einer sich anschließenden Promotion, war ich in einem mittelständischen Unternehmen tätig und konstruierte Kreiselpumpen und Unterwassermotoren. Hier erhielt ich das Rüstzeug zum Verständnis der Produkt- und Fertigungsstruktur dieser Produktgruppe. Danach übernahm ich die Entwicklungsabteilung und konnte verschiedenste Entwicklungsprojekte initiieren und umsetzen. Diese Phase ermöglichte mir eine Erweiterung des technischen Verständnisses in Richtung Marktfähigkeit und sinnvolle Investitionen in die Produktentwicklung.
Letztlich war der Weg frei für verschiedene Managementpositionen im Bereich der Technik, Produktion und der gesamten Geschäftsführung des Unternehmens. Für diesen Karriereschritt war ergänzend noch zusätzliches Wissen über Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanzen, Unternehmensstrategie und Mitarbeiterführung notwendig.
Zur Aneignung dieses Wissens konnte ich mir durch ein Zusatzstudium in einer Managementschule eine gute Basis schaffen.
Da die Fabrik Teil eines weltweit tätigen Konzerns war, konnte ich auch wesentliche internationale Erfahrungen über Konzernmanagement, aber genauso wichtige Erfahrungen über die unterschiedlichsten Kulturen in den verschiedenen Regionen im Laufe dieser Tätigkeit gewinnen.
› Offshore-Plattform »Troll«
Rückblickend wünsche ich jedem Ingenieur und jeder Ingenieurin möglichst viele »Highlights« in der Produktentwicklung, wie ich sie selbst erlebt habe. Hierzu zählen für mich der Bau einer der größten Offshore-Plattformen »Troll« vor der norwegischen Küste, für die wir die wesentlichen Kreiselpumpen entwickelt und geliefert haben.
Oder auch die damals größte von uns gelieferte Unterwassermotorpumpe für eine Goldmine in Elko/Nevada, die ich persönlich mit in einen mehrere hundert Meter tiefen Brunnen einbauen durfte.
Daneben bestehen die Highlights wesentlich in der Führung und Entwicklung von fähigen Mitarbeitern/innen im Team.
Probleme sind da, um sie zu lösen
Die wichtigste Voraussetzung für diese Studienrichtung ist die Freude an Technik, sowie dem Analysieren und Lösen von Problemen. »Probleme sind da, um sie zu lösen« ist wohl der Leitspruch für einen angehenden Ingenieur und eine angehende Ingenieurin.
› Unterwassermotorpumpe der Goldmine in Elko/Nevada
Wesentliche Fähigkeiten für das Studium sind demzufolge gute Kenntnisse im naturwissenschaftlichen Bereich und weiter die Entwicklung eines »ingenieurmäßigen« Herangehens: Ein technisches Problem wird auf Basis vorhandener Kenntnisse analysiert und gelöst. Hierbei sollte immer eine belastbare logische Vorgehensweise angewendet sowie eine ausreichende Sicherheit gegen Versagen und maximale Wirtschaftlichkeit angestrebt werden. Ferner sollte ein wichtiger von Antoine de Saint-Exupéry stammender Leitspruch berücksichtigt werden: »Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann«. Für die Wahl des Studienschwerpunkts Fluidsystemdynamik stellt die gute und breite Ausbildung in den Grundlagen des Maschinenbaus zunächst eine notwendige Basis dar.
Darauf aufbauend sollten Fächer in der Vertiefungsrichtung Strömungsmaschinen und Fluidsysteme gewählt werden. Hierzu besteht beispielsweise an der Technischen Universität Berlin ein umfangreiches Spektrum an Angeboten, von der Auslegung der Laufräder nach verschiedenen Methoden, über das Betriebsverhalten in Anlagen, der Auslegung und dem Betrieb von Windenergieanlagen, bis hin zum Studium der Flugtriebwerke.
›Versuchshalle des Fachgebietes Fluidsystemdynamik
Dabei sollte durchaus Wert auf den Aufbau eines tiefen Verständnisses für die jeweilige Maschine gelegt werden, da dieses das Fundament eines späteren Spezialwissens bilden kann. Ergänzend und vertiefend sind des Weiteren Fächer im Bereich der Antriebsmaschinen, der Verbrennungsmotoren, aber auch in den Bereichen der Betriebswirtschaft, des Qualitätsmanagements und der Produktionstechnik zu empfehlen.
Das Spektrum an Spezialisierungsmöglichkeiten ist ebenso groß, wie das der späteren Berufsfelder, leitend sollte hierbei stets das eigene Interesse sein. Die Berufsaussichten in den erwähnten Branchen sind dabei nach einem erfolgreichen Abschluss mehr als aussichtsreich.
Kurzvita
Herr Prof. Dr.-Ing. Paul Uwe Thamsen ist seit 2003 als Universitätsprofessor und Leiter des Fachgebietes Fluidsystemdynamik an der Technischen Universität Berlin tätig.
Seine Forschungsschwerpunkte sind:
› Optimierung von Wasser- und Abwassersystemen
› Strömungsmaschinen
› Diagnosesysteme für Fluidsysteme
› Windenergieanlagen
› Modelluntersuchungen für Einlaufelemente
› Lasergestützte Geschwindigkeitsmessverfahren für Strömungen
Nach seinem Studium des Maschinenbaus mit der Fachrichtung Strömungsmaschinen arbeitete Herr Thamsen als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Pfleiderer Institut für Strömungsmaschinen an der TU Braunschweig und promovierte 1992 zum Dr.-Ing.. Hiernach arbeitete Herr Thamsen bis zum Jahr 2003 bei der Pleuger Worthington GmbH (Flowserve ©) in Hamburg in den Bereichen Technik, Marketing und Management, zuletzt als Geschäftsführer.
Neben seinen Aufgaben als Universitätsprofessor und Fachgebietsleiter übernahm Herr Thamsen seit 2011 die Aufgaben des Prodekans für Forschung der Fakultät V: Verkehrsund Maschinensysteme und in der Zeit von August 2011 bis März 2014 das Amt des 1. Vizepräsidenten der TU Berlin