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Statistik heute - angestaubt oder zeitgemäß?

Ein Beitrag von Prof. Dr. Göran Kauermann, Lehrstuhl für Statistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Statistik kennt jeder, aber was machen eigentlich Statistikerinnen und Statistiker, und warum ist Statistik ein spannendes Studienfach? Ein Grund liegt in der heutigen Verfügbarkeit von Daten und deren Notwendigkeit der Auswertung. Und auch die Allgegenwärtigkeit von Big Data trägt zum Erfolg der Statistik bei. Statistik heute ist mehr als zeitgemäß und Statistikerinnen und Statistiker sind vielseitig gefragt.

Statistik, das klingt irgendwie etwas angestaubt und vielleicht auch ein bisschen langweilig. Aussagen wie »Eine Legehenne legt im Durchschnitt 24 Eier pro Monat« kommen einem in den Sinn. Doch Statistik ist weit mehr als für Geflügelwirte eine Planungsgröße zu liefern. Statistik ist die Wissenschaft, aus Daten sinnvolle und nutzbare Information zu ziehen. Damit ist Statistik spannender als man zunächst meint, denn Daten umgeben und beschäftigten uns heute im tagtäglichen Leben, ja unsere heutige Gesellschaft ist geradezu datengetrieben. Die Kundenkarte an der Kasse registriert unsere Einkäufe, Google stellt uns Werbung bereit, die speziell auf unsere Suchinteressen maßgeschneidert ist, und unser Smartphone hinterlässt zahlreiche Dateneinträge bei der Anwendung von Apps. Aber auch jenseits des Internets nimmt der Datenumfang rapide zu. An den Straßen unserer Städte wird die Luftqualität gemessen, um zu beurteilen, ob die Einführung von Umweltzonen sinnvoll ist. Wetterdienste protokollieren teils kleinräumig meteorologische Variablen, die statistisch ausgewertet, die Nachfrage von Energie steuern.

»Die moderne Datenflut ist getrieben von den rasanten technischen Entwicklungen der letzten Jahre.«

Mathematik - Ludwig-Maximilians-Universität München Mietspiegel liefern in den Großstädten in Deutschland ein statistisches Bild des Mietniveaus. Unternehmen sind bemüht, aus Verkaufszahlen die Preiselastizität ihrer Kunden zu quantifizieren, um eine optimale Preisgestaltung zu erhalten. Alle diese Beispiele zeigen zumindest eins: Statistik ist in der Anwendung vielseitig und alles andere als angestaubt und langweilig. Die moderne Datenflut ist getrieben von den rasanten technischen Entwicklungen der letzten Jahre. Daten können leicht und ohne großen Aufwand protokolliert, erfasst und erhoben werden. Diese neue Welle an Daten bezeichnet man geläufig auch als ›Big Data‹ und manch einer sieht darin aktuell sogar eine der größten wissenschaftlichen Herausforderung unserer Informationsgesellschaft. Datenumfänge nehmen zu, aber was nützen all die gesammelten und gespeicherten Mega-, Tera- oder Petabyte von Daten, wenn sie nicht analysiert und zielgerichtet ausgewertet werden? Welchen Nutzen haben Daten, wenn daraus keine Information und kein Wissen gezogen werden kann? Es ist die Aufgabe der Statistik Strukturen in Daten zu finden, systematische Zusammenhänge aufzudecken und offene Fragen zu beantworten. Kurzum: Es gilt Information aus den Daten zu ziehen. Bildlich gesprochen kann man die Daten als Rohstoff bezeichnen, aus dem mit Hilfe der Statistik sinnvolle Information gezogen werden kann. Aber nicht nur im Bereich der neuen ›Big Data‹ Welle ist statistische Kompetenz von Bedeutung. Auch in klassischen Anwendungen leistet die Statistik wichtige Beiträge. Jedes neue Medikament muss sich, bevor es auf dem Markt kommt, in klinischen Studien als wirksam und sicher erweisen, statistisch ausgewertet anhand von Daten. Jede ›Sonntagsumfrage‹ zur Wahlprognose baut auf einer statistisch geplanten Stichprobe auf und die Pisastudie gibt Aufschluss über die Kompetenzen von Schülern mit Hilfe von statistischen Methoden. Nicht zu vergessen sind Prognosen und Vorhersagen mit Hilfe von statistisch-ökonometrischen Modellen im Bereich der (Finanz-) Wirtschaft. Um aus Daten die notwendige Information zu ziehen werden mathematische und statistische Verfahren angewendet, die dann numerisch, sprich am Rechner umgesetzt werden. Statistik bildet somit eine Brücke zwischen Mathematik und Informatik, zwischen Theorie und Anwendung. Studieninteressierte sollten daher in beide Richtungen Interesse zeigen. Statistik lebt dabei von unterschiedlichen Anwendungen und Bereichen, aus denen die Daten stammen, sei es Medizin, Biologie, Wirtschaftswissenschaften, Geowissenschaften, und so weiter. Mathematik - Ludwig-Maximilians-Universität München Jeder Anwendungsbereich hat dabei seine eigenen Besonderheiten und Gesetzmäßigkeiten, die zur Analyse der Daten berücksichtigt werden müssen. Auch hier sind die Statistikerin und der Statistiker gefragt. Das statistische Instrumentarium muss auf die konkrete, angewandte Fragestellung angepasst werden, und die Ergebnisse müssen nachvollziehbar und verständlich an »Nichtstatistiker« vermittelt werden. Studieninteressierte sollten daher aufgeschlossen sein gegenüber anderen wissenschaftlichen Disziplinen und willens sein, sich in angewandte Fragestellungen einzudenken, um das erlernte statistische Fachwissen an Frau und Mann zu bringen.
Wer also mathematisch interessiert ist, gerne am Rechner arbeitet und Lust auf Kooperationen mit anderen wissenschaftlichen und angewandten Disziplinen hat für den ist Statistik das passendes Ausbildungsfach. Statistikerinnen und Statistiker haben heute exzellente Berufsperspektiven. Sie finden Anstellung in Banken, in Versicherungen, in Pharmaunternehmen, im Bereich E-commerce, bei Beratungsinstituten, in Forschungseinrichtungen und bei Behörden und Ämtern, um nur einige Arbeitsbereiche zu nennen. Die Nachfrage nach Statistikerinnen und Statistikern steigt ständig, und potentielle Arbeitgeber schätzen mehr und mehr die vielseitigen Fähigkeiten und Kompetenzen von gut ausgebildeten Statistikerinnen und Statistikern. Insbesondere die Fähigkeit, das theoretische Wissen auch numerisch direkt umsetzen zu können, erhöht die Jobaussichten.

»Die Fähigkeit, das theoretische Wissen auch numerisch direkt umzusetzen, erhöht die Jobaussichten.«

Die neue Datenflut beschert den heutigen und zukünftigen Absolventinnen und Absolventen ein vielseitiges Angebot an Arbeitsbereichen in offenen Stellen und hinreichend viel Potential sich beruflich auch auf Jahre hinaus zu engagieren. Der steigenden Nachfrage an Statistikerinnen und Statistikern steht eine breites Ausbildungsangebot in Statistik an deutschsprachigen Universitäten gegenüber. In Deutschland kann an der Technischen Universität Dortmund und an der Ludwig-Maximilians-Universität München Statistik auf Bachelor- und Masterabschluss studiert werden, in österreich bieten die Universität Wien und die Johannes-Kepler-Universität Linz einen Bachelor und Masterstudiengang in Statistik an. Die Masterprogramme sind zum Teil diversifiziert in Richtung Wirtschaftswissenschaften oder Biostatistik. Einige Standorte erlauben auch den so genannten Quereinstieg in das Masterprogramm, sprich die Möglichkeit Statistik auf Masterabschluss zu studieren bei einem fachfremden, wenngleich fachnahen Bachelorabschluss, beispielsweise im Bereich Wirtschaftswissenschaften, Informatik oder Mathematik. Als reines Masterprogramm wird Statistik darüber hinaus angeboten an der Universität Bielefeld, der Georg-August-Universität Göttingen, der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sowie in den Spezialisierungen »Survey Statistics« an der Universität Trier, »Mathematische Biometrie« an der Universität Ulm, »Epidemiologie« an der Universität Mainz, »Demographie« an der Universität Rostock, »Biometrie« an den Universitäten Bremen und Heidelberg sowie als Fachhochschulstudiengang an der Hochschule (FH) Magdeburg-Stendal. Darüber hinaus kann an vielen deutschen Universitäten Statistik als Spezialisierungsfach im Bereich der Mathematik oder Wirtschaftswissenschaften gewählt werden. Konkrete Information und entsprechende Links zu den Internetseiten der Programme findet man auf der Seite der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Statistik: www.dagstat.de.

»Statistik ist heute sicher alles andere als angestaubt!«

Studieninteressierte sollten die vielseitigen Informationsmöglichkeiten der Universitäten nutzen, wie zum Beispiel Tage der offenen Tür oder die speziell für Schülerinnen und Schüler vorhandenen Studienberatungen. Eine weitere Informationsquelle sind die Internetseiten der deutschen Arbeitsgemeinschaft Statistik (siehe Link oben). Letztere veranstaltet auch in regelmäßigen Abständen Schüleruniversitäten im Bereich Statistik, eine gute Gelegenheit für Studieninteressierte in das Fach Statistik etwas reinzuschnuppern. Statistik heute - angestaubt oder zeitgemäß? Statistik ist heute sicher alles andere als angestaubt, im Gegenteil Statistik war selten so aktuell und zeitgemäß wie heute.
Mathematik - Prof. Dr. Göran Kauermann

Kurzvita

Prof. Dr. Göran Kauermann, geboren 1965, studierte Wirtschaftsmathematik an der Technischen Universität Berlin. Nach einem PostDoc Aufenthalt an der University of Chicago habilitierte er im Jahr 2000 an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Anschließend wechselte er an die University of Glasgow in Schottland als Senior Lecturer und übernahm 2003 den Lehrstuhl für Statistik an der Universität Bielefeld. Seit 2011 hat er den Lehrstuhl für Statistik und ihren Anwendungen in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München inne. Prof. Kauermann ist Gründungsmitglied der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Statistik (kurz DAGStat), einem Interessenverband aller Statistiker in Deutschland, und war dessen Vorsitzender von 2005 bis 2013. An der Universität Bielefeld war er federführend beteiligt an der Einrichtung eines Masterstudiengangs »Statistische Wissenschaften«. Prof Kauermann ist Autor zahlreicher international publizierter wissenschaftlicher Aufsätze und engagiert sich für die angewandte Statistik, auch und vor allem in Kooperation mit Unternehmen.
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Die Ludwig-Maximilians-Universität München berichtet über die Karriere in der Mathematik!

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