Mechatronik
Ein Beitrag von Prof. Dr. Franz J. Plötz, HS Rosenheim
Der Name Mechatronik ist ein zusammengesetzter Begriff, ein »Kunstwort«, das aus den Bezeichnungen Mechanik, Elektronik und Informatik bzw. deren englischen Entsprechungen, entstanden ist. Verwendet wurde der Begriff Mechatronik nachweislich erstmals 1969 in der japanischen Roboterindustrie.
Zwischenzeitlich hat sich die Mechatronik weltweit als interdisziplinäres Gebiet der Ingenieurwissenschaften etabliert, bei der neben den klassischen Ingenieurdisziplinen wie Maschinenbau, Elektrotechnik besonders die moderne Informationstechnologie als verbindendes Element in den Vordergrund tritt. Eine geschlossene Definition des Begriffs Mechatronik hat sich bisher nicht herausgebildet und wird es vermutlich auch nie geben. Das Kraftfahrtechnische Taschenbuch liefert eine weitgehend anerkannte Begriffsbestimmung: Mechatronik ist eine Ingenieurwissenschaft, die die Funktionalität eines technischen Systems durch eine enge Verknüpfung mechanischer, elektronischer und datenverarbeitender Komponenten erzielt«. Eine weitere Definition des Begriffs Mechatronik ist im Brockhaus zu finden: »Interdisziplinäres Gebiet der Ingenieurwissenschaften, das auf Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik aufbaut. Im Vordergrund steht die Ergänzung und Erweiterung mechanischer Systeme durch Sensoren und Mikrorechner zur Realisierung teilintelligenter Produkte und Systeme.
»Der Mechatroniker benötigt sowohl Kenntnisse über die Geräte, Anlagen und Maschinen der zu automatisierenden Prozesse, als auch über die zugehörigen Verfahrensabläufe.«
MECHATRONISCHE PROZESSABLÄUFE UND EINSATZGEBIETE DES MECHATRONIKERS
Technische Systeme sind allgemein dadurch gekennzeichnet, dass sie Materie, Energie oder Information in einem Prozess automatisch umwandeln, transportieren oder speichern. Spielen hier wiederum mehrere Disziplinen wichtige Rollen, spricht man von einem mechatronischen Prozess. Aus diesem Grund benötigt der Mechatroniker - und das ist heute unbestritten - sowohl Kenntnisse über die Geräte, Anlagen und Maschinen der zu automatisierenden Prozesse, als auch über die zugehörigen Verfahrensabläufe. Einige Beispiele dafür sind gleichzeitig die bedeutendsten Einsatzgebiete des Mechatronikers:
Anlagen- und Maschinentechnik
› Fertigungsstrassen im Automobilbau
› automatische Getriebe
› Fahrerunterstützungs- und Sicherheitssysteme im Fahrzeug, z.B. ABS, ESP
› Werkzeugmaschinen
› Digitalkameras, automatische Kaffeemaschinen
› Kraftwerke, Windenergie-, Solaranlagen
Luft- und Raumfahrttechnik
› Flugführung, Flugregelung, Autopilot
› Kommunikationssatelliten, wissenschaftliche Satelliten und Raumfahrzeuge
Medizintechnik
› Roboter zur Unterstützung eines behinderten Menschen
› Geräte für den minimal-invasiven Eingriff
› Computertomografen.
Der mechatronische Ansatz
Von einem mechatronischen Ansatz spricht man, wenn bei der Planung und Entwicklung von Anlagen, Maschinen und Geräten Experten aller beteiligten Fachrichtungen eng zusammenarbeiten. Durch diese Vorgehensweise konnten in den letzten Jahren Erfolge erzielt werden, die vorher nicht vorstellbar waren. So können z.B. Produkte in einer Fertigungsstraße nur dann wirtschaftlich und mit der geforderten hohen Präzision hergestellt werden, wenn Toleranzen in der Maschinenmechanik oder im Werkstoff durch Sensoren rechtzeitig erkannt und ihre Einflüsse auf die Qualität des Endprodukts durch eine geeignete Steuerung und Reglung minimiert werden.
Die Grundstruktur eines derartigen mechatronischen Prozessablaufs wird in der Grafik gezeigt. Sie ist in Funktionsgruppen unterteilt, die als verallgemeinerter Regelkreis angeordnet und durch Informations- und Energie- oder Materialflüsse verbunden sind. Aus dem Prozess heraus kommen über die Messeinrichtung (Sensoren) Informationen, daraus werden Stellsignale generiert, welche den Prozess so beeinflussen, dass sein Ablauf der übergeordneten Strategie entspricht. Durch diesen Ansatz entstehen oft Synergien, die neue oder neuartige Produkte besserer Qualität ermöglichen. Und in vielen Fällen sind diese auch noch einfacher aufgebaut.
Der Mechatroniker
Mit seinem interdisziplinären Know-how soll der Mechatroniker die Entwicklungspotentiale einer neuen Technologie rechtzeitig erkennen, sie richtig beurteilen und danach folgerichtig handeln - eine Fähigkeit, die sowohl für die kurzfristige Zielsetzung, als auch für die langfristige Ausrichtung eines Unternehmens von zukunftsweisender Bedeutung ist. Entsprechend lernen die Studierenden schon im Studium Bezüge zwischen den einzelnen Fachgebieten herzustellen, neue Lösungswege anzudenken und diese eigenständig umzusetzen. Während seiner Ausbildung sollte der Mechatroniker lernen einen Entwicklungs- oder Produktionsvorgang, wie in der Grafik gezeigt, als dynamischen Prozess zu betrachten, der alle Faktoren wie Sicherheit für Mensch und Umwelt, Wirtschaftlichkeit, Qualität der Erzeugnisse und Schonung aller eingesetzten Ressourcen integriert und optimiert.
»Bei einem weiterbildenden Studiengang wird häufig eine gewisse Industriepraxis als Vorbedingung gefordert.«
Das Studium
An vielen Hochschulen wurden in den letzten Jahren Mechatronik-Studiengänge etabliert. Ein grundständiges Studium führt dabei in sechs bis sieben Semestern zum Bachelor, dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss. Während ein Großteil der Absolventen danach eine Tätigkeit in der Industrie aufnimmt, werden für die Besten Masterstudiengänge angeboten, die entweder konsekutiv (folgend) oder weiterbildend konzipiert sind. Bei einem weiterbildenden Studiengang wird häufig eine gewisse Industriepraxis als Vorbedingung gefordert.
»Ein Masterstudium ist zu empfehlen, wenn jemand tiefere Fachkenntnisse erlangen möchte, die beim Aufstieg in eine Führungsposition hilfreich sind.«
Einige wenige Ausbildungsstätten bieten weiterbildende Studiengänge zum Mechatronik- Master auch berufsbegleitend an. In diesem Fall arbeiten die Studierenden weiterhin Teilzeit in einem Unternehmen und kommen nur an zwei bis drei Tagen in die Hochschule. Dies hat zur Folge, dass sich zwar die Studienzeit verlängert, es ergibt sich aber die Chance die theoretische Ausbildung mit der praktischen Arbeit im Betrieb eng zu verbinden. Ein Masterstudium ist zu empfehlen, wenn jemand tiefere Fachkenntnisse erlangen möchte, die beim Aufstieg in eine Führungsposition hilfreich sind. Für eine Promotion und/oder eine wissenschaftliche Karriere ist der Masterabschluss Pflicht.
Die Mechatronik ist ein sehr
umfangreiches Wissensgebiet. Wie eingangs schon angeführt, übergreift sie mehrere Disziplinen, was zur Folge hat, dass nicht jedes Fach mit dem Aufwand im Lehrplan berücksichtigt werden kann, wie es wünschenswert wäre. Zugute kommt dem angehenden Mechatroniker hierbei, dass insbesondere in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) die Schnittmenge der ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge erheblich ist. Zwei Beispiele: Der Aufladevorgang eines Kondensators wird mit ähnlichen Gleichungen beschrieben wie das Erwärmen eines Bügeleisens. Oder: Der Widerstand den elektrische Ladungen in einem Leiter vorfinden, unterliegt ähnlichen Gesetzmäßigkeiten wie der hydraulische Widerstand, den eine Flüssigkeit in einem Rohr zu überwinden hat. Kennt man das eine, fällt einem das andere leicht.
Trotzdem setzen die Hochschulen bei der Ausgestaltung der Curricula mehr unterschiedliche Schwerpunkte, als dies bei anderen Ingenieurstudiengängen der Fall ist. Dies kommt auch daher, dass die Mechatronik an manchen Hochschulen in der Fakultät Elektrotechnik, in anderen in der Fakultät Maschinenwesen, in manchen auch bei der Verfahrenstechnik angesiedelt ist. Die Studieninteressentin und der Studieninteressent hat hier eine gewisse Auswahl. Hier einige Empfehlungen:
› Mathematik und Physik bilden das »Kleine Einmaleins« für jede erfolgreiche Ingenieurkarriere, ohne die geht es nicht. Die Mathematik sollte im Curriculum eines Mechatronikers mit nicht weniger als 16 Semesterwochenstunden vertreten sein.
› Technische Mechanik, Elektrotechnik/Elektronik, Informatik - diese Kernkompetenzen der Mechatronik sollten einen ähnlichen Umfang einnehmen, wie in den Curricula der Grund-Disziplinen, das heisst wie z.B. wie die Fächer der Technischen Mechanik im Studiengang Maschinenbau.
› Die Fächer der Leittechnik, Systemanalyse, Synthese (Mess-Steuerungs-Regelungs-Simulationstechnik, Echtzeitprogrammierung) sollten nicht nur marginal im Pflichtbereich des Curriculums vertreten sein.
Daneben finden die Studierenden häufig ein breites Angebot an Wahlmöglichkeiten, das genutzt werden kann, um persönliche Vorlieben und Interessen in das Studium einzubauen.
Kurzvita
Der Autor, Prof. Dr.-Ing. Franz J. Plötz, vertritt das Fach Regelungstechnik an der Hochschule Rosenheim, wo er in der Academy for Professionals auch den Masterstudiengang Mechatronik leitet.