Masterstudium - Ja oder nein?
Ein Beitrag von Prof. Dr. Barbara Kessler, Dekanin des Fachbereichs Mathematik und Technik, RheinAhrCampus der Hochschule Koblenz in Remagen
Will ich lieber mit dem Bachelorabschluss direkt in das Berufsleben einsteigen, oder soll ich noch ein Masterstudium dranhängen - und wenn ja, welches? Diese Frage stellen sich viele Studierende in der Endphase ihres Bachelorstudiums. Die Antwort ist so individuell wie die Möglichkeiten, die sich den Studierenden bieten. Ich werde versuchen, ein paar Antworten am Beispiel unserer technischen Studienfächer in Remagen anzubieten.
Generell ist ein Bachelorabschluss eine schnelle Methode, um den Berufsstart zu beginnen. Je nach Studienort kann er innerhalb von 6 bis 8 Semestern erreicht werden, bei uns in Remagen sind es 6 Semester Regelstudienzeit bis zum »Bachelor of Science«. Naturgemäß ist eine 3-jährige Ausbildung im Wesentlichen ein Grundstock, der noch um Spezialkenntnisse für die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens ergänzt werden muss, damit Bachelorabsolventen und -absolventinnen effektiv eingesetzt werden können. Mit unserem Abschluss »Bachelor of Science« hat man aber während des Studiums bereits gelernt, wie man sich schnell das nötige Spezialwissen aneignet und findet in der thematisch relativ breit angelegten Bachelorausbildung einen guten Grundstock, auf dem aufgebaut werden kann. Heutzutage kann niemand mehr davon ausgehen, dass eine Ausbildung oder ein Studium genügend Kenntnisse für ein ganzes Berufsleben bietet. Viele unserer Absolventen und Absolventinnen haben bereits während des Praxisprojekts oder während der Abschlussarbeit das Unternehmen kennengelernt, in dem sie ihren Berufsstart wagen - und haben dann auch schon genügend Spezialwissen und Selbstvertrauen, um direkt einsteigen zu können.
Ab diesem Semester bieten wir noch ein 8-semestriges berufsbegleitendes Bachelorstudium unter dem Titel »Softwareengineering im Gesundheitswesen« an. Dieses Studium bedingt aber eine vertragliche Vereinbarung mit einem unserer kooperierenden Unternehmen - wer sich dafür interessiert, darf gerne um mehr Informationen bitten oder sich im Internet informieren.
Mit diesem Bachelorangebot unterscheidet sich der RheinAhrCampus von manchen anderen Universitäten und Fachhochschulen, bei denen die Spezialisierung auf bestimmte Berufsziele erst im Masterstudium stattfindet. Einige unserer Studierenden im technischen Bereich stellen während des Studiums fest, dass ihnen die praktische Arbeit im Labor, sowie die wissenschaftliche Betrachtungsweise und Bearbeitung von Problemen besonders gut liegt. Für diese Studierenden bietet es sich an, ein Masterstudium anzuschließen, in dem genau diese Fachkenntnisse und Denkweisen vertieft werden. Der Abschluss Master of Science in »Applied Physics« kann dann in 4 Semestern erreicht werden. Dieses Studienfach ist bei uns noch breiter angelegt als das Bachelorstudium und zielt darauf, dass die Qualifikation für eine möglicherweise anschließende Promotion erlangt wird. Das ist der große Vorteil des Systems von Bachelor und Master gegenüber den alten Diplomabschlüssen: die Abschlüsse unterscheiden sich nun qualitativ nicht mehr zwischen einem Studium an einer Fachhochschule oder einer Universität: der Master berechtigt grundsätzlich dazu, eine Promotion zu beginnen.
Um den Absolventen und Absolventinnen die diesen Weg gehen wollen das Leben noch leichter zu machen, sind wir gerade dabei, unser Masterstudium zu erweitern: wir wollen ab dem Wintersemester 2015/16 einen kooperativen Masterstudiengang zusammen mit der Universität Koblenz anbieten. Das bedeutet für unsere Studierenden, dass sie gleichzeitig den Universitätsabschluss und den Fachhochschulabschluss bekommen - also sowohl die etwas theoretischere Sichtweise der Universität als auch die angewandtere Sichtweise der Fachhochschule perfekt beherrschen. Außerdem erweitert sich das inhaltliche Angebot: es gibt dann die Möglichkeit, Vertiefungen in Materialwissenschaft, oder in Medizintechnik oder in Optik und Lasertechnik zu wählen.
Das Masterstudium an manchen anderen Hochschulen ist deutlich berufsbezogener und spezialisierter als es in unserem Studiengang »Applied Physics« vorgesehen ist. Für die Studierenden, die sich zwar entscheiden, ein Masterstudium zu beginnen, aber im Abschlusszeugnis den Begriff »Medizintechnik« wiederfinden wollen, planen wir ein neues Angebot ab dem Wintersemester 2015/16. Voraussichtlich wird es mehr Vertiefungsfächer aus dem Bereich der Medizintechnik geben und dafür weniger Theoriefächer. Vermutlich werden diese Absolventen und Absolventinnen sich eher direkt in der Industrie bewerben und auf eine anschließende Promotion verzichten - möglich wäre aber auch dieser Weg, denn es ist ein vollwertiger Masterabschluss.
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass jedes Studium - egal ob Bachelor- oder Masterabschluss - ein wesentliches Ziel hat: die Studierenden sollen lernen, wie man sich selbständig neues Wissen aneignet. Dazu gehört die systematische Erfassung von Problemen, die Sichtung von Lösungsmöglichkeiten und die Ausarbeitung einer Lösung unter gegebenen Randbedingungen, wie Begrenzung der Ressourcen und der Zeit. Schnell lernen die Studierenden auch, dass man im Team weiterkommt als alleine. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, der Teamarbeit Struktur zu geben. Das kann später von großem Nutzen sein, wenn Führungskompetenz verlangt wird. Flexibilität wird heutzutage von allen Akademikern und Akademikerinnen erwartet. Dazu gehört, dass man in der Lage ist,
»über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen«. Eine gute Möglichkeit, sich darin zu üben ist ein Auslandsaufenthalt während des Studiums oder auch während der Abschlussarbeit. Mit einem Auslandsaufenthalt hat man unter Beweis gestellt, dass man sich auf neue Situationen einstellen kann - das ist sehr viel wert und wiegt bei einer Bewerbung möglicherweise ein etwas verlängertes Studium bei Weitem auf! Also: Masterstudium ja oder nein? Entscheiden Sie sich individuell, geben Sie Ihrer Neigung nach. Am erfolgreichsten sind diejenigen, die Freude an ihrer Arbeit haben und Begeisterung zeigen können!
› Bildquellen: Hochschule Koblenz
Kurzvita
Prof. Dr. Barbara Kessler hat an der Universität Münster Physik studiert und mit dem Diplom abgeschlossen. Nach der Doktorarbeit und der Habilitation in Experimentalphysik an den Universitäten Bielefeld und Köln, sowie Auslandsaufenthalten in der Schweiz und in den USA hat sie den Ruf auf eine Professur am RheinAhrCampus der Hochschule Koblenz in Remagen angenommen. Seit knapp 2 Jahren ist sie Dekanin des Fachbereichs Mathematik und Technik an dieser Hochschule. Neben diesen Aufgaben und der Lehre sowohl in den Bachelorstudiengängen« Medizintechnik«, »Sportmedizinische Technik« und »Optik und Lasertechnik« als auch im Masterstudiengang »Applied Physics« ist sie im Hochschulrat der Fachhochschule Münster. Außerdem engagiert sie sich bei der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in der Arbeitsgruppe Fachhochschulen.