Textiltechnologie - Textilmanagement
Ein Beitrag von Prof. Dr. Klaus Meier, Fakultät Textil & Design, Hochschule Reutlingen
Textiltechnologie ist eine der ältesten Technologien der Welt und hat sich über die Jahrtausende vielseitig und faszinierend in allen Bereichen unseres Lebens etabliert. Jeder denkt bei dem Begriff »Textil« sofort an Mode sowie Heimtextilien.
Viele andere Bereiche sind aber auch von Textilien durchdrungen:
› In Sport und Freizeit beispielsweise tragen wir nicht nur die neuesten Outdoor-Jacken, die uns auch bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt vor Wind und Wetter schützen, wir zelten und schlafen in Schlafsäcken, Segeln, fliegen mit Gleitschirmen oder Drachen oder fahren mit leichten Fahrrädern aus Faserverbundwerkstoffen.
› In Automobilen werden die Textilien nicht nur zur Innenraumverkleidung oder für Sitzbezüge verwendet. Sicherheitsgurte in Verbindung mit Airbags retten Leben. Filter und hitzebeständige Dichtungen werden in Motoren verbaut. Die Reifen werden mit Hochleistungsfasern verstärkt.
› Im Bereich der Medizin werden Textilien nicht nur als OP-Kittel oder Bettbezüge eingesetzt, Es werden künstliche Arterien geflochten, mit Hilfe von Vliesstoffen Körperteil (z. B. Ohren) gezüchtet oder auch Leistenbrüche mit Hilfe von Netzen wieder zusammengefügt.
Die Liste für den Einsatz von Textilien könnte beliebig fortgesetzt werden. Diese Beispiele sollen nur veranschaulichen, warum es auch heute noch eine große Textilindustrie in Europa gibt, obwohl doch scheinbar die gesamte textile Fertigungskette nach Asien verlagert wurde. Spezielle Entwicklungen erfordern spezielle Technologien, die auch in Europa ihre wirtschaftliche Bedeutung haben. Dies führt dazu, dass auch auf absehbare Zeit weiterhin begeisterungsfähige, kreative Menschen gebraucht werden, die im Bereich der Textiltechnologie bereit sind, Akzente zu setzen.
Studium
Der Bachelor-Studiengang
»Textiltechnologie - Textilmanagement« basiert auf dem traditionellen Textil-Ingenieurstudium, in dem die Grundlagen der Faserstoffkunde sowie der unterschiedlichsten Fertigungsverfahren der gesamten textilen Produktionskette vermittelt werden. Aufgrund der zunehmenden Internationalisierung, die eine weltweite Arbeitsteilung zur Folge hatte, wurde dieser Studiengang um wichtige Elemente der Betriebswirtschaft ergänzt.
In den ersten 4 Semestern werden die Grundlagen in Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, der Betriebswirtschaft sowie der textilen Prozesskette vermittelt. Insbesondere die textilen Produktions- und Prüfprozesse von der Fasergewinnung über die Garnherstellung, das Weben, das Stricken und Wirken sowie die anschließende Veredelung und Konfektion werden u. a. in Laborpraktika vertieft. Die in den ersten 4 Semestern vermittelten Grundkenntnisse werden im 5. Semester in der Industrie im Rahmen eines Industriesemesters angewendet. Diese Stellen werden von den Studierenden selbstständig ausgesucht. Dieses Industriesemester ist häufig der erste Kontaktpunkt mit dem späteren Arbeitgeber.
Nach dem 5. Semester können die Studierenden wählen, ob sie eher in die Textiltechnologie oder in das Textilmanagement vertiefen wollen. Dabei bereitet die Vertiefung Textiltechnologie die Studierenden schwerpunktmäßig auf Tätigkeiten in den Bereichen Produktion und Entwicklung vor. Die Bereiche Logistik, Projektmanagement oder Einkauf werden durch die Vertiefung in Textilmanagement gezielt unterstützt.
Die Bachelor-Thesis bildet den Abschluss des Studiums. Hier wird anhand einer konkreten Aufgabenstellung der Nachweis erbracht, dass der Studierende in der Lage ist, die erlernten Lehrinhalte sinnvoll auf eine Aufgabenstellung in der Praxis zielführend anzuwenden. In der Regel werden diese Arbeiten auch in der Industrie durchgeführt. Häufig werden die Kontakte genutzt, die bereits im Industriesemester aufgebaut wurden. Dies ist jedoch keine zwingende Voraussetzung. Der Vorteil der Durchführung dieser Thesis in einer Firma ist der, dass die Aufgabenstellung eine real auftretende Problemstellung darstellt, die gelöst werden muss. Die Vorbereitung auf das Berufsleben ist somit optimal.
Aufbauend auf dem Bachelor-Studiengang ist es darüber hinaus möglich, den Master- Studiengang »Textil und Bekleidung« zu belegen. Dieser Studiengang konzentriert sich vor allem darauf, bereits erlerntes Wissen anhand konkreter Problemstellungen systematisch anzuwenden. Die Studierenden müssen im Rahmen von Projekten Problemstellungen bearbeiten. Hierbei werden sie jeweils von Dozenten betreut, die auf die wissenschaftliche Arbeitsweise achten. In Vorsemestern erhalten die Studierenden die Möglichkeit, Lehrinhalte in Textiltechnologie oder Management nachzuholen, die sie bei kürzeren Bachelor-Studiengängen als acht Semestern nicht lernen konnten.
Die für den Übergang in die Berufspraxis notwendigen Fachkenntnisse und theoretischanalytischen Fähigkeiten sind bei den Absolventen vorhanden. Des Weiteren werden intellektuelle und soziale Kompetenzen herausgebildet: neben der Vermittlung von abstraktem, analytischen über den Einzelfall hinausgehenden und vernetztem Denken, das durch die Konzentration auf die Textilwirtschaft gefördert wird, haben Absolventen die Fähigkeit, sich schnell methodisch und systematisch in Neues, Unbekanntes einzuarbeiten. Dies geschieht durch die Konfrontation der Studierenden mit neuen Aufgabenstellungen in Projekten. Selbständigkeit, Kreativität, Offenheit und Pluralität werden durch eigenverantwortliches Arbeiten gewährleistet.
Voraussetzungen für das Studium
Für den Bachelor-Studiengang ist die Fachhochschulreife oder die allgemeine Hochschulreife bzw. gleichwertige Abschlüsse eine notwendige Voraussetzung. Darüber hinaus sollten die Bewerber für diesen Studiengang ein gewisses Interesse an technischen und betriebswirtschaftlichen Abläufen sowie generell für Textilien haben. Leistungsbereitschaft und Motivation sind grundsätzlich für alle Studiengänge notwendig.
Für den Master-Studiengang ist ein überdurchschnittlicher Bachelor-Abschluss mit einer Mindestnote von »gut« in textiltechnologischen oder betriebswirtschaftlichen Studiengängen die Eingangsvoraussetzung. Hier ist vor allem die Eignung zu einer wissenschaftlichen Tätigkeit verbunden mit der Fähigkeit, sich weitgehend selbstständig in neue Themenfelder einzuarbeiten, notwendig.
»Die Teile der Textilindustrie, die sich noch in Mitteleuropa befinden zeichnen sich durch hohe Innovationskraft und Flexibilität aus.«
Berufsaussichten
So vielfältig wie die Einsatzgebiete von Textilien sind, so vielseitig sind auch die Perspektiven, die die Absolventen der oben beschriebenen Studiengänge haben. Beispielhaft ist die Absolventenstatistik des Bachelor-Studiengangs Textiltechnologie - Textilmanagement der Hochschule Reutlingen der Jahre 2010 und 2011 abgebildet.
In die klassischen Bereiche der textilen Prozesskette (Textilindustrie, Textilmaschinenbau) geht nur ein geringerer Anteil der Absolventen, wobei auch in diesem »klassischen« Bereich häufig neue Technologien und neue Hightech- Produkte entwickelt und produziert werden. Die Teile der Textilindustrie, die sich noch in Mitteleuropa befinden zeichnen sich durch hohe Innovationskraft und Flexibilität aus.
»Die Kenntnisse über die textilen Fertigungsverfahren werden jedoch auch viel in den technologiegetriebenen Bereichen gefragt.«
Die Kenntnisse über die textilen Fertigungsverfahren werden jedoch auch viel in den technologiegetriebenen Bereichen gefragt. Die Automobilindustrie ist beispielsweise einer der größten »Abnehmer« von Absolventen. Und hier werden die Absolventen nicht nur für das Innenraumdesign sondern auch für technische Produkte benötigt. Generell gilt, dass Technische Textilien dem Bedürfnis nach Hochleistungswerkstoffen häufig am besten gerechtwerden und daher eine zunehmende Bedeutung gewinnen. Entwickler und Produzenten sind daher auch in Zukunft sehr gefragt und mit ihnen auch Absolventen entsprechender Studiengänge.
Mode und Bekleidung macht in Deutschland noch einen erheblichen Teil aus. Viele bekannte Anbieter auf diesem Gebiet operieren von Deutschland aus. Auch wenn die Fertigung inzwischen überwiegend in Asien abläuft, werden die Trends und Entwicklungen von Europa aus geleitet. Wichtige Funktionen wie die Steuerung der Fertigungsprozesse sowie der waren, aber auch die Qualitätskontrolle fragt nach Fachleuten, um auch in Zukunft die Ware in der richtigen Qualität zur rechten Zeit zum Kunden zu bringen.
Kurzvita
Prof. Dr. Klaus Meier ist Studiendekan für den Bachelor-Studiengang »Textiltechnik - Textiltechnologie« sowie den Master-Studiengang »Textil und Bekleidung«. Er wurde zum 01. September 2013 an die Fakultät Textil & Design der Hochschule Reutlingen auf das neu geschaffene Lehrgebiet »Advanced Textile Materials« berufen. Nach seinem Studium in Maschinenbau an der RWTH Aachen trat er eine Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Textiltechnik der RWTH Aachen an, wo er auf dem Gebiet der Falschdrahttexturierung promovierte. Für seine Doktorarbeit erhielt er 1993 den Internationalen Chemiefaserpreis der CIRFS. In der Industrie durchlief er verschiedene Positionen bei namhaften Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus, der Chemiefaserindustrie sowie der Bekleidungstechnik, bei denen er neben Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten auch Funktionen in Bereichen des Marketings wahrnahm. Zuletzt war er Forschungsleiter der KUNERT Fashion GmbH & Co. KG in Immenstadt.