Berufsstart Wirtschaftsingenieur
Ein Beitrag von Prof. Dr. Christoph von Uthmann, Fachbereich Technik, FH Bielefeld
WirtschaftsingenieurInnen bietet sich eine Vielfalt spannender und perspektivenreicher Tätigkeitsfelder insbesondere an Schnittstellenbereichen. Um ihr Potential zu nutzen, sollten sie ihr Studium zielstrebig ausrichten und mit Perspektive in den Beruf einsteigen.
Prädestiniert für interdisziplinär integrierende Schnittstellenaufgaben
WirtschaftsingenieurInnen werden häufig als ›Generalisten‹ bezeichnet - mit positivem oder negativem Zungenschlag. Tatsächlich sind sie nicht ›Alleskönner‹, aber auch nicht ›Weder-Fisch-noch-Fleisch‹ oder gar ›Universaldilettanten‹. Treffender ist ›Interdisziplinäre Integratoren‹: Die Wirtschaftsingenieur-Ausbildung zielt, in Abgrenzung zu grundständiger BWL und Ingenieurwesen, originär darauf ab, die verschiedenen betriebswirtschaftlichen und technischen Aspekte des Unternehmenserfolgs ganzheitlich zusammenzuführen.
Das größte Betätigungsfeld für Wirtschaftsingenieure ist die Industrie, aber auch der Handels- (z.B. Logistik, IT, Vertrieb technischer Güter) und Dienstleistungssektor (z.B. Beratung) bieten spannende Aufgaben. Mit ihrer vielseitigen Ausbildung eröffnet sich Wirtschaftsingenieuren eine große Bandbreite an Einsatzfeldern.1 Die bedeutendsten sind in Abb. 1 aufgeführt. Als künftig verstärkt hinzukommend werden vom VWI Gesundheits-, Energie- und Ressourcenmanagement genannt. Eine besondere Herausforderung liegt weiterhin in rasanten technologischen und organisatorischen Neuerungen (z.B. ›Industrie 4.0‹ bzw. ›Smart Factory‹).
Die genannten Einsatzfelder haben besonders hohes Potential für Wirtschaftsingenieure, da sie viele interdisziplinäre bzw. bereichsübergreifende Schnittstellen enthalten. Genau an diesen können Wirtschaftsingenieure ihre Kernkompetenz einsetzen: Mit den unterschiedlichen kaufmännisch und technisch orientierten Beteiligten in deren Sprache kommunizieren, deren Perspektiven, Aufgaben, Denk- und Arbeitsweisen verstehen sowie deren Anliegen und Ergebnisse adäquat in die Steuerung der Geschäfte einbringen - d.h. betriebswirtschaftlich-technische Schnittstellen überbrücken (vgl. Abb. 2).
Studium zielstrebig ausrichten
Aufgrund der großen Qualifikationsbandbreite und der überaus positiven Arbeitsmarktlage haben Wirtschaftsingenieure die Freiheit, sich nicht frühzeitig auf bestimmte Felder festlegen zu müssen. Zudem weiten sie ihre Einsatzgebiete häufig auf neue Arbeitsinhalte aus, meist auch dadurch, dass sie umfassendere bzw. höhere Management-Funktionen übernehmen. Für den Berufseinstieg ist es dennoch vorteilhaft, sich bereits auf bestimmten Kompetenzfeldern profiliert zu haben.
Hierzu sollten Module und Praktika (von Unternehmen nach wie vor als sehr wichtig eingeschätzt) entsprechend Abb. 2 so gewählt werden, dass anvisierte Einsatzfelder sowie die daran angrenzenden Felder abgedeckt werden. Ggf. kann es sinnvoll sein, bereits Schwerpunkte in bestimmten Wirtschaftszweigen (z.B. Chemie, Energie) zu setzen. Eine Konzentration auf (General) Management o.ä. wird nicht empfohlen, da dies erst im Karriereverlauf wirklich relevant wird. Für den Aufbau seines Netzwerks sollten frühzeitige Kontakte zu Unternehmen geknüpft werden, z.B. über Verwandte, Bekannte, Kontaktmessen, Professoren und wiss. Mitarbeiter. Im Hinblick auf die starke Praxisorientierung des Wirtschaftsingenieurwesens sollten Studienarbeiten im Rahmen einschlägiger Projekte vor Ort in Industrieunternehmen durchgeführt werden (keine reinen Literaturarbeiten, auch nicht bei angestrebter Promotion, vgl. u.).
Nach wie vor sehen viele Industrieunternehmen (›zu‹) junge BA-Absolventen skeptisch. Auch die langfristigen Karriere-Perspektiven - insbesondere in typischen Wirtschaftsingenieur-Arbeitsfeldern - sind mit Master-Titel besser einzuschätzen. Eine interessante Option ist ein Berufseinstieg nach dem Bachelor (z.B. im Nachgang einer BA-Arbeit) und nach 2-3 Jahren Berufspraxis die Aufnahme eines Voll- oder berufsbegleitenden Master-Studiums. Ggf. bieten sich hierfür auch MBA-Programme an. Beim Anstreben eines Ingenieur-Masters sind die Anrechenbarkeit und auch die Machbarkeit insb. der technisch-mathematischen Module zu prüfen.
Eine Promotion kann eine relevante Zusatzqualifikation sein (oft aber auch nicht). Generell wird sie Studierenden mit ›Forschungsambitionen‹ empfohlen (direkt nach dem Studium oder später). Auch dabei sollte auf einen starken Anwendungsbezug geachtet werden, inkl. potentielle Projekte mit Unternehmen.
Allgemein wird von Wirtschaftsingenieuren eine sehr hohe ›Geschmeidigkeit‹ und ›Belastbarkeit‹ erwartet. Eigeninitiative Weiterbildung in Fremdsprachen (inkl. Auslandsaufenthalte) und ›Soft Skills‹ sowie profunde IT-Kenntnisse werden bei ihnen vorausgesetzt. Soziales Engagement, Erwerbstätigkeit neben dem Studium oder andere interessante Aktivitäten können helfen, sich besser zu positionieren.
Mit klaren Perspektiven in den Beruf einsteigen
Die meisten Wirtschaftsingenieur-Absolventen wählen den Direkteinstieg ins Berufsleben. Wegen ihres Überblicks-Charakters sind aber auch
(internationale) Trainee-Programme interessant, sofern sie systematisch konzipiert sind. Neben Groß- sind auch mittlere und kleine Unternehmen eine vielversprechende Option, indem sie oftmals größere Verantwortungsumfänge und Gestaltungsspielräume bieten. Auch der Einstieg in Beratungsunternehmen ist sehr empfehlenswert. Dort bestehen schnell Chancen, eigenverantwortlich komplexe Aufgabenstellungen zu bearbeiten. Die Professionalität des Umfelds ist meist sehr hoch, so dass sich eine steile Lernkurve und ein gutes ›Sprungbrett‹ für weitere Karriereschritte ergeben.
Bei der Wahl des Einstiegs ist es wichtig, dass von Beginn an Perspektiven bzw. Potentiale für Fachoder Führungskarrieren klar aufgezeigt werden.
› 1 Die einzelnen Einsatzfelder sind z.B. in den beiden Büchern »Berufsstart Technik« und »Wirtschaft« beschrieben.
› 2 Die Doppelpfeile zeigen wichtige Wechselbeziehungen auf; Querschnittsfelder haben i.d.R. starke Wechselbeziehungen zu diversen Aufgabenfeldern. Beratung kann auf bestimmte Einsatzfelder spezialisiert sein oder auch grössere Cluster umfassen (z.B. ›Production-Practice‹)
Kurzvita
Prof. Dr. Christoph von Uthmann ist Professor am Fachbereich Technik der FH Bielefeld. Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen im Prozess- und IT-Management, Controlling, Projektmanagement sowie Produktions- und Logistikmanagement und Energiewirtschaft. Ausgehend von einem Wirtschaftsingenieur-Studium und einer Promotion in Wirtschaftsinformatik übte er 13 Jahre lang leitende Tätigkeiten bei ABB, Volkswagen sowie bei den renommierten Beratungshäusern Droege & Comp. und Corporate Transformation Group (CTG) aus.