Auslandssemester in Neuseeland
Im Rahmen seiner Bachelorarbeit »Die Bedeutung von Auslandsaufenthalten für den Berufseinstieg« hat Andy Schnackertz 726 Unternehmen und 543 Studierende befragt.
Ziel der Arbeit war herauszufinden, ob und – wenn ja – welche Einstellungs-, Gehalts- und/oder Karrierevorteile ein Auslandsaufenthalt mit sich bringt. Im folgenden Interview erläutert er unserer Redaktion die Ergebnisse seiner Untersuchung.
Zur Person
Name: Andy Schnackertz, B.A.
Bachelorstudiengang: Betriebswirtschaft, 6 Sem.
Masterstudiengang: International Management (Marketing, Sales & CRM)
Angestrebter Abschluss: Master of Arts
Studiendauer: 4 Semester
Hochschule: FH Münster
Aktuelle Tätigkeit: Neben dem Masterstudium an der FH Münster arbeitet Andy Schnackertz derzeit als wissenschaftliche Hilfskraft im Fachbereich Wirtschaft. Im Januar 2011 wird er sein Studium abschließen und in das Berufsleben starten.
Berufliches Ziel: Mitgestalten und Verantwortung tragen; eine Perspektive haben
Persönliches Ziel: Das Finishen eines Langdistanztriathlon
Informationen zum Auslandsaufenthalt
Form: Auslandssemester
Funktionsbereich: Internationales Management / Marketing
Zeitpunkt: 3. Sem. des Masterstudiums
Dauer: 6 Monate
Land: Neuseeland
Ort: University of Otago, Dunedin
Berufsstart: Herr Schnackertz, Sie haben sich im Rahmen Ihrer Bachelorarbeit mit der Bedeutung von Auslandserfahrungen für den Berufseinstieg befasst. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Schnackertz: Die Idee entstand im Zusammenhang mit eigenen Planungen für einen Auslandsaufenthalt. Es ist unbestritten, dass ein Auslandsaufenthalt eine Bereicherung an Erfahrungen darstellt und zur Entwicklung der Persönlichkeit beiträgt. Unabhängig davon stellte sich jedoch für mich die Frage, wie weit Auslandserfahrungen tatsächlich karrierefördernd sind und welche Auslandsaufenthalte als meist geeignet erscheinen.
Berufsstart: Welche Fragestellungen haben Sie untersucht?
Schnackertz: Zum Einen habe ich untersucht, ob und wie wichtig welche Form von Auslandsaufenthalt für den erfolgreichen Berufseinstieg von Hochschulabsolventen ist: Wirkt sich ein Auslandsaufenthalt direkt karrierefördernd aus und wird er bei der Einstellung oder späteren Beförderung berücksichtigt? Welchen Stellenwert nehmen Auslandserfahrungen im Rahmen der an die Bewerber gestellten Anforderungen ein? Abschließend wurde ermittelt, inwieweit die Meinung über den ’optimalen‘ Auslandsaufenthalt von Studierenden und Unternehmen auseinandergehen.
Informationen zur Datenerhebung bei den Unternehmen
Befragte Unternehmen: 726 Stck.
Teilnehmende Unternehmen: 102 Stck.
Rücklaufquote: 14,04%
Verteilung:
Kleinstunternehmen (1-9 Mitarb.): 17 Stck.
Kleinunternehmen (10-49 Mitarb.): 23 Stck.
Mittlere Unternehmen (50-249 Mitarb.): 29 Stck.
Großunternehmen (>249 Mitbarb.): 32 Stck.
Keine Angabe: 1 Stck.
Quelle: Andy Schnackertz (2009)
Informationen zur Datenerhebung bei den Studierenden
Befragte Studierende: 543 Stck.
Teilnehmende Studierende: 195 Stck.
Rücklaufquote: 35,91%
Wichtig! Wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge sind mit 75% deutlich überrepräsentiert. Die Studie lässt somit KEINE evidenten Rückschlüsse auf andere Fachrichtungen zu.
Quelle: Andy Schnackertz (2009)
Kurz & knapp!
› Die Ortspräferenzen der Unternehmen zeichnen sich klar ab.
› Auslandsaufenthalte in der Region Osteuropa scheinen bei den Unternehmen gefragt zu sein.
Berufsstart: Gab es Ergebnisse, die Sie als Studierenden besonders überrascht haben?
Schnackertz: Besonders überrascht hat mich, wie klar sich die Ortspräferenzen abgezeichnet haben und wie deutlich sie mit den Außenhandelsaktivitäten der Unternehmen in Einklang stehen (siehe Grafik: Bevorzugte Regionen für einen Auslandsaufenthalt). Ebenso interessant war die große Abweichung zwischen Studierenden und Unternehmen hinsichtlich der Beurteilung des Bedarfs in der Region Osteuropa. Hieraus ließe sich auf einen erhöhten Bedarf seitens der Unternehmen an Absolventen mit Auslandserfahrungen in dieser Region schließen.
Berufsstart: Mehr als 70% der befragten Unternehmen gaben an, Auslandserfahrungen bei der Bewerberauswahl immer bis eher oft zu berücksichtigen. Sogar 56% der Entscheider bevorzugen – bei gleicher Eignung – den Bewerber mit Auslandserfahrungen. Ein klarer Einstellungsvorteil also. Gleichzeitig halten 77% der Unternehmen einen Auslandsaufenthalt nicht für selbstverständlich. Wie passen diese Aussagen zusammen?
Schnackertz: Zurzeit verfügt circa ein Drittel der Absolventen über Auslandserfahrungen. Ich vermute, dass den Entscheidern in den Unternehmen bewusst ist, dass nicht für jede Stelle ein Absolvent mit Auslandserfahrungen eingestellt werden kann bzw. muss. Im direkten Vergleich bei ansonsten gleicher Qualifikation jedoch, werden, nach Aussage der Unternehmen, Bewerber mit Auslandserfahrungen bevorzugt. Ihnen werden eine stärkere Ausprägung positiver Eigenschaften wie Flexibilität, Offenheit, persönliches Engagement sowie Team- und Kommunikationsfähigkeit zugeschrieben – und das wirkt sich auf den späteren Berufserfolg aus.
Berufsstart: Die Einstellungsvorteile sind offensichtlich. Wie ist das später? Kann ich aufgrund von Auslandserfahrungen zum Beispiel mit mehr Gehalt oder besseren Aufstiegschancen rechnen?
Schnackertz: Die Vermutung liegt nahe, dass ein Auslandsaufenthalt als Zusatzqualifikation zu einer höheren Entlohnung oder zu einem leichteren Aufstieg führt. Allerdings gaben in der Befragung nur fünf Prozent der Unternehmen an, Mitarbeitern deshalb ein höheres Jahresgehalt zu gewähren. Bevorzugte Aufstiegsmöglichkeiten räumten 10 Prozent der Unternehmen ihren Beschäftigten ein. Insgesamt konnten Beschäftigungsvorteile nicht eindeutig ausfindig gemacht werden. Wahrscheinlich ergeben sich Karrierevorteile während der Beschäftigung eher aufgrund der erzielten Leistung im Beruf.
Kurz & knapp!
› Auslandserfahrung gilt als wünschenswerte Zusatzqualifikation
› Bei gleicher fachlicher Eignung sind Einstellungsvorteile zu erwarten.
› Mit mehr Gehalt können Sie nicht rechnen!
Berufsstart: Sie haben fünf übliche Formen von Auslandserfahrungen untersucht: Auslandspraktika und -semester, Freiwilligenarbeit, Travel and Work sowie Intensivsprachkurse. Welche dieser Formen bevorzugen die von Ihnen befragten Unternehmen und welche Gründe nennen Sie dafür?
Schnackertz: Die Unternehmen haben damit begonnen, zu hinterfragen, ob ein Auslandsaufenthalt plausibel im Kontext zum bisherigen Lebenslauf erscheint oder mit der angestrebten Tätigkeit in Einklang steht. Unternehmen bevorzugen eindeutig das Auslandspraktikum, dicht gefolgt vom Auslandssemester, weil mit diesen Formen nicht nur die Soft Skills erweitert werden, sondern auch ein fachlicher Bezug zur späteren Tätigkeit hergestellt werden kann.
Berufsstart: Neben den Formen haben Sie noch andere Kriterien betrachtet, die Auslandsaufenthalte ausmachen. Zum Beispiel den Ort, die Dauer, den Zeitpunkt sowie den Funktionsbereich, indem der Studierende tätig ist. Wie wichtig waren den befragten Unternehmen die jeweiligen Kriterien?
Schnackertz: Es konnte festgestellt werden, dass die Unternehmen überwiegend ein recht genaues Bild Ihrer Vorstellungen über einen Aufenthalt haben. So werden Kontinente bevorzugt, mit denen die betreffenden Unternehmen in geschäftlichem Kontakt stehen. Außerdem fordern Unternehmen eher längere Aufenthalte, die im fortgeschrittenen Studium absolviert werden. Unterschiede wurden im Funktionsbereich festgestellt: Je nach Umfang, mit dem der Funktionsbereich in Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturkreisen kommt, wurde auch die Bedeutsamkeit entsprechend hoch eingestuft. Unternehmensführung und Marketing werden dort eindeutig benannt, während für Personen, die im Bereich Finanzwirtschaft, Produktion oder Controlling tätig werden, Auslandserfahrungen weniger Bedeutsamkeit beigemessen wird.
Kurz & knapp!
› Auslandserfahrungen mit fachlichem Bezug werden bevorzugt.
› Einstellungsvorteile sind bei gleicher fachlicher Eignung zu erwarten.
› Wann Pflicht? Unternehmensführung und Marketing
› Wann Kür? Finanzwirtschaft, Produktion, Controlling, allgemein
Berufsstart: Wie steht es um die Studierenden, die nicht in ein anderes Land gehen? Nicht jeder kann sich einen Auslandsaufenthalt leisten und viele verzichten darauf, um die Regelstudienzeit einzuhalten. Wie reagieren die Unternehmen auf solche Hinderungsgründe?
Schnackertz: Während persönliche Gründe wie die Trennung vom persönlichen Umfeld weitestgehend nicht hingenommen werden, akzeptiert ca. die Hälfte der befragten Unternehmen den Hinderungsgrund Zeitverlust im Studium. Verständnis wird mehrheitlich aufgebracht, wenn aus finanziellen Gründen kein Auslandsaufenthalt absolviert werden konnte. Die Finanzierung muss jedoch kein Hinderungsgrund sein: In der Studie werden die zahlreichen Finanzierungsoptionen und die geschickte Einbettung des Auslandsaufenthaltes in das Studium erörtert.
Berufsstart: Wie haben Sie die Ergebnisse Ihrer Abschlussarbeit für die Planung Ihres eigenen Auslandsaufenthaltes genutzt?
Schnackertz: Zunächst haben mich die Ergebnisse darin bestärkt, trotz Trennung von Partnerin und Freundeskreis einen Auslandsaufenthalt zu absolvieren. Bedingt durch die eher späte Aufnahme des Studiums aufgrund vorheriger Berufstätigkeit habe ich mich für ein Auslandssemester entschieden und darauf geachtet, alle Leistungen an der Heimathochschule anerkannt zu bekommen. Trotzdem spielten auch persönliche Präferenzen wie der Ruf der Universität, die angebotenen Kurse und die Lernformen eine wichtige Rolle.
Kurz & knapp!
› Zeitverluste im Studium werden von vielen Unternehmen akzeptiert.
› Persönliche Gründe sind kein Hindernisgrund!
› Finanzierung kann, muss aber kein Hindernisgrund sein.
Berufsstart: Wie sollten andere Studierende, die an einem Auslandsaufenthalt interessiert sind, die Ergebnisse nutzen?
Schnackertz: Je nach Studienfortschritt und Kenntnisstand trägt die Studie dazu bei, darüber aufzuklären, welche Anforderungen Unternehmen gegenüber Bewerbern äußern und wie ein Auslandsaufenthalt organisiert, finanziert und in das Studium eingebunden werden kann. Studierende haben die Möglichkeit, auf den Bedarf der Unternehmen zu reagieren und ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen. Studierende sollten eine Auswahl jedoch nicht ausschließlich anhand der von den Unternehmen geforderten Kriterien abhängig machen, sondern persönliche Gegebenheiten in die Entscheidung einbeziehen.
Berufsstart: Was meinen Sie – sozusagen als Fazit – ist ein Auslandsaufenthalt Pflicht oder Kür?
Schnackertz: Ein Auslandsaufenthalt sollte nicht aus reinem Pflichtbewusstsein absolviert werden, sondern sich aus eigenem Interesse an der Fremde ergeben. Vermeintliche Hemmnisse wie Finanzierung oder Zeitverluste können durch gute Vorbereitung gelöst werden, persönliche Hemmnisse durch Gespräche mit Menschen, die bereits über Auslandserfahrungen verfügen. Die vermeintliche Pflicht verändert sich so zu einem Highlight des gesamten Studiums. Auslandsaufenthalte sind darüber hinaus die ideale Gelegenheit, andere Kulturen zu entdecken, kennenzulernen und zu akzeptieren. Bislang bin ich noch keinem Menschen begegnet, der diesen Schritt bereut hat. Ganz im Gegenteil.
Berufsstart: Im Januar 2011 werden Sie Ihr Studium beenden. Wie geht es dann beruflich für Sie weiter?
Schnackertz: Momentan stecke ich mitten in der Bearbeitung der Masterthesis, nehme mir jedoch zunehmend Zeit, Unternehmen zu suchen, in denen ein interessanter beruflicher Einstieg im (Personal-)Marketing oder CRM-Bereich möglich ist. Oft bieten auch Unternehmen mit internationalem Bezug, die einem nicht sofort in den Sinn kommen, eine tolle Perspektive. Ich würde mich freuen, einen solchen Arbeitgeber zu finden.
Berufsstart: Herr Schnackertz, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für Ihren Berufseinstieg!
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Quelle:
Schnackertz, A.: »Die Bedeutung von Auslandsaufenthalten für den Berufseinstieg« – ISBN (E-Book): 978-3-640-27249-5, 29,90 € – Bestellbar beim GRIN Verlag unter https://www.grin.com/login/#documents/122527/