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Erfahrungsbericht - "Mein Arbeitstagsalltag in Singapur"

Erfahrungsbericht mit Stefanie Joham von Rohde & Schwarz
Mein Arbeitstagsalltag in Singapur
Erfahrungsbericht von Stefanie Joham, Praktikantin bei ROHDE & SCHWARZ
Montag Morgen, erster Arbeitstag, der Weg von der MRT-Station zum ROHDE & SCHWARZ Gebäude ist schnell gefunden, eine nette Dame empfängt mich in der Besucherlobby. Zunächst gibt es mit den anderen neuen Mitarbeitern eine Einführungsveranstaltung, in der eine Kollegin aus der Personalabteilung eine Präsentation über R&S Asia hält.

Dann werden alle an ihre Betreuer aus der Fachabteilung übergeben. Meine Betreuerin stellt mir die Kollegen vor und bringt mich zu meinem Arbeitsplatz für die nächsten 3 Monate. Dort fühle ich mich sofort bei den Kollegen willkommen. Einige sind sogar aus Deutschland, andere aus Indien, Philippinen, China, Indonesien, Myanmar, Malaysia und noch aus ganz vielen anderen Ländern.

Beim Mittagessen bin ich das erste Mal in einem der für Singapur typischen Foodcourts, es gibt sehr viel Auswahl an verschiedenster asiatischer Kochkunst. In das indische Essen habe ich mich sofort verliebt. Aber auch im Allgemeinen kann man sagen, dass es in diesem kleinen Land eine riesige Auswahl an verschiedenen Küchen gibt. Von chinesisch, thai, indonesisch, mongolisch bis eben zu süd- bzw. nordindisch ist alles für den kleinen Geldbeutel zu haben. Ich kann jedem nur empfehlen, so viel wie möglich davon zu probieren.

Wie schon das Angebot an Essen widerspiegelt, gibt es eine große Vielfalt an Kulturen in Singapur, was mir an dem Land persönlich am besten gefallen hat. Man lernt so viele verschiedene Leute und deren Ansichten, Religionen und eben deren Kultur ein Stück weit kennen, wie man dies in vermutlich keinem anderen Land erfahren kann.

Ich persönlich habe bei einer muslimischen Familie gewohnt, in welcher die Mutter aus den Philippinen stammt und der Vater in Singapur geboren ist, aber malaysische Abstammung hatte. Gleich am ersten Tag meines Einzugs haben sie mich eingeladen, mit auf das Hari Raya Fest bei ihren Eltern zu kommen, zu dem die ganze Familie erscheinen wird. Gerne habe ich diese Einladung angenommen und mich ein Stück weit integriert, indem ich die traditionelle Kleidung für dieses Fest angezogen habe. Die Großeltern haben mich sehr freundlich empfangen und auch der Rest der Familie war interessiert an mir und an dem Leben in Deutschland.

2.Bild zum Erfahrungsbericht von Rohde & Schwarz
So stellten wir zum Beispiel fest, dass es große Unterschiede im Sozialsystem der beiden Länder gibt. In Singapur müssen die Eltern für ihre Kinder Schulgeld bezahlen und auch die Universitäten sind sehr teuer, weshalb meine Familie schon jetzt für die Ausbildung ihrer 2 und 4 Jahre alten Kinder spart.

Für mich persönlich ein großer Kontrast war auch die sogenannte Maid-Politik in Singapur. So hat fast jede Familie, auch die, bei der ich gewohnt habe, eine Maid, also eine Haushaltshilfe, die auch auf die Kinder aufpasst. Die Maid, die bei uns gewohnt hat, Asti, hatte die Speisekammer, ca. 3 qm groß und ohne Fenster, zum Schlafen zur Verfügung. Sie arbeitet 7 Tage die Woche den ganzen Tag, also ca. von 7 Uhr bis 22 Uhr. Sie ist 22 Jahre alt, stammt aus Indonesien und arbeitet seit 2 Jahren bei einem Monatslohn von ca. 400 SGD (ca. 250 Euro) für die Familie, um Geld für ein Studium zu sparen. Da viele Singapurer das als normal ansehen, reagieren sie eher mit Unverständnis, wenn man dieses Thema anspricht. Zumindest lernt man seine eigenen Lebensumstände und Möglichkeiten dadurch noch mehr schätzen und nicht alles als selbstverständlich anzusehen.

Man muss dabei auch beachten, dass in den meisten Familien beide Elternteile Vollzeit arbeiten gehen müssen, um die teuren Lebenshaltungskosten zu finanzieren und es deshalb im Gesamten wohl billiger ist, eine Maid zu bezahlen, als auf ein komplettes Gehalt zu verzichten. Ich habe mit 7 Leuten in einer 3 Zimmer Wohnung gelebt, was eben nicht ungewöhnlich war, wegen der hohen Mieten in diesem Land.

Beim Thema Religionen sind die Singapurer sehr offen, hatte ich den Eindruck, solange man eine hat. Es gibt wohl kein anderes Land, in dem man eine christliche Kirche, neben einer Moschee, neben einem hinduistischen oder buddhistischen Tempel findet und alle friedlich zusammenleben. Ich konnte vor allem Einblick in den muslimischen Glauben erhalten, was sehr interessant war. Aber auch die Besuche in den verschiedenen sehr farbenfrohen Tempeln waren beeindruckend.

Die Arbeitswoche beträgt 42,5 Stunden, also 7,5 mehr als in München. Es gibt auch keine Gleitzeit sondern feste Arbeitszeiten von 8:30 bis 18:00 Uhr mit einer Mittagspause von 1 Stunde. Das ist natürlich vor allem am Anfang eine große Umgewöhnung, zumal noch der Jetlag hinzukommt. Auch wenn ich einen relativ kurzen Weg zur Arbeit hatte, bleibt da unter der Woche nicht mehr viel Freizeit.

3.Bild zum Erfahrungsbericht von Rohde & Schwarz
Dadurch, dass am Standort Singapur viel weniger Mitarbeiter sind, als in München, ließ sich die Struktur der Firma relativ schnell erfassen. Man lernt die meisten der Kollegen, auch Geschäftsbereich- und Abteilungsübergreifend kennen, was in München eher selten der Fall ist. Faszinierend fand ich auch hier, wie gut es klappt, dass Kollegen aus vielen verschiedenen Ländern in einem Team zusammenarbeiten, denn die Kulturen gehen ja doch weit auseinander.

So würde ich zum Beispiel sagen, dass Singapur eine relativ hohe Machtdistanz hat. So kann es schon mal passieren, dass der Chef einem Mitarbeiter gegenüber lauter wird, was für asiatische Länder typisch ist, im Gegensatz zu Deutschland, wo die Führungskraft versucht, ihrem Mitarbeiter auf einer Augenhöhe zu begegnen und Entscheidungen im Team zu besprechen. Darüber hatte ich auch ein sehr interessantes Gespräch mit meinen asiatischen Kollegen. Ein autoritärer Führungsstil ist für sie normal und auch akzeptiert. Sie finden es sogar angenehm, denn einer trifft einfach die Entscheidung und trägt somit die komplette Verantwortung, wohingegen es für mich als Deutsche seltsam ist, einfach die mir aufgetragenen Aufgaben auszuführen, ohne darüber groß nachzudenken, obwohl ich diese vielleicht nicht logisch finde. So war es bestimmt auch für meine Betreuerin seltsam, als ich, obwohl ich nur Praktikantin bin, für mein Projekt noch mit anderen Lösungsansätzen und Vorschlägen zu ihr kam, bzw. die ganze Gliederung umändern wollte. Jedoch war ich mir dessen, aufgrund meiner schon vorherigen Befassung mit anderen Kulturen im Rahmen der Zusatzqualifikation interkulturelle Kommunikation und Kooperation an der Hochschule München, bewusst und habe deshalb probiert, meine Änderungsvorschläge indirekt als positive Verbesserungsvorschläge und nicht als direkte Kritik einfließen zu lassen.

Als Arbeitsaufgabe hatte ich ein eigenständiges Projekt, das Verfassen einer Programmieranleitung für die Empfänger R&S PR100 und R&S EM100. Als Orientierung habe ich schon fertigen Code bekommen und ein Computer basiertes Training mit den Empfängern. Anschließend konnte ich diese Aufgabe sehr eigenständig bearbeiten, aber zugleich waren auch immer Ansprechpartner vorhanden, wenn ich Probleme oder Fragen bei der Programmierung hatte.

Ich hatte mich schließlich entschlossen, nicht den fertigen Code auszukommentieren, da dieser sehr komplex und aus meiner Sicht schwer verständlich war, sondern einen eigenen, leichter nachvollziehbaren, in einzelne Abläufe gegliederten Code zu entwickeln. Dafür programmierte ich in der Sprache C, um Schritt für Schritt den Verbindungsaufbau mit dem Gerät, die Kommunikation, die Einstellungen und die Speicherung der aufgenommenen Daten zu veranschaulichen. Sehr hilfreich war dafür auch die Unterstützung der Entwicklungsabteilungen, so konnte ich unter anderem mit Kollegen aus dem Hardware- und Softwareteam zusammenarbeiten und lernte dadurch die Zusammenhänge der Firma noch besser kennen. Da das Projekt nicht nur auf R&S Asia bezogen war, sondern übergreifend, hatte ich auch immer Kontakt zum Produktmanagement in München. Dort wurde ich von Peter Kronseder betreut. Da er die Aufgabe definiert hatte, hielt ich stetig Rücksprache mit ihm, vor allem in Bezug auf die Anwendungsfälle der Kunden, denn dafür habe ich noch zu geringe Erfahrung mit Kunden.

Als ich zurück nach München gekommen bin, habe ich mein Projekt vor dem Produktmanagement und einigen Kollegen aus der Entwicklung präsentiert. Herausgekommen ist nun eine ca. 50 seitige Anleitung, welche nach der Überprüfung durch meinen Betreuer vor allem an Kunden ausgehändigt werden soll. Für Reisen in andere ostasiatische Länder ist Singapur der perfekte Ausgangspunkt. Mit Billig- Airlines wie AirAsia oder Tiger kann man für wenig Geld in alle umliegenden Länder reisen. So machte ich unter anderem an den Wochenenden Ausflüge nach Malaysia, Myanmar, Indonesien und Thailand. Mit am besten gefallen hat mir dabei Tioman, eine kleine malaysische Insel im Süden von Singapur, welche ein echter Geheimtipp ist. Am schnellsten kommt man mit einer alten Propellermaschine hin, welche einmal am Tag von Singapur abfliegt. Alleine das ist schon ein Abenteuer. Auf der Insel gelandet merkt man schnell, dass der Tourismus zwar da ist, aber zum Glück noch nicht überhandgenommen hat. Zum Hotel wird man mit einem Schnellboot gebracht, weil keine Straße dort hinführt. Man übernachtet quasi direkt am Strand und zugleich mitten im Dschungel, dort kann einem schon mal ein Affe oder ein Waran über den Weg laufen. Auch das Schnorcheln ist ein Traum, sofort sieht man viele verschiedene bunte Fische und wenn man Glück hat sogar Schildkröten oder Riff Haie. So ein Wochenendausflug ist auf jeden Fall ein super Ausgleich zum Alltag.

Als Fazit kann ich nur sagen, dass ich es jederzeit wieder machen würde. Man bekommt so viele neue Eindrücke und lernt ein Land ganz anders kennen, wenn man eine Zeit lang dort lebt und arbeitet. Es schadet nie, über den Tellerrand hinaus zu schauen und sich auf etwas Neues, Fremdes einzulassen, auch weil man dadurch seinen eigenen Lebensstandard wieder neu zu schätzen lernt.

Quellenangaben
- 1 Machtdistanz ist eine von vier Kulturdimensionen, definiert durch Geert Hofstede.
- 2 Die Zusatzqualifikation erlangt man durch die Belegung von 5 Fächern, welche sich mit Interkulturalität und Länderstudien befassen. Im Moment habe ich 4 von 5 Fächern abgelegt, es fehlt also noch 1 Fach zum Zertifikat.

Autor / Werdegang
Autor des Erfahrungsberichtes: Stefanie Joham von Rohde & Schwarz
Stefanie Joham

Duales Studium der Elektrotechnik an der Hochschule München
Praktikantin im Produktmanagement
Empfänger in der R&S Niederlassung in Singapur

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