Ich komme aus Shanghai, bin mit 13 Jahren nach Deutschland gekommen und habe 2008 mein Abitur in Berlin gemacht. Aufgrund meines bikulturellen Hintergrunds wollte ich ein Studium beginnen, das mir in beiden Ländern eine gute Perspektive eröffnet.
Mit meinen guten schulischen Mathematikleistungen habe ich mich schließlich für einen anspruchsvollen Studiengang entschieden: Wirtschaftsmathematik an der Universität zu Köln. Er besteht aus Mathematik, Wirtschaft und Informatik. Die Bezeichnung Aktuar hatte ich zwar früher schon mal gehört. Bis dahin wusste ich aber nur, dass sie sehr viele komplexe mathematische Modelle aufbauen und analysieren. Weil ich gerne mehr davon verstehen wollte, war meine Motivation für das Studium der Wirtschaftsmathematik entsprechend groß.
In welchem Bereich arbeitest du heute und was sind deine Aufgaben?
Seit Oktober 2014 arbeite ich in der Abteilung Risikomodelle im Bereich Risikomanagement der Talanx Deutschland AG in Köln. Da ich Anfang 2014 ein Praktikum in einer Nachbarabteilung absolviert hatte, kannte ich bereits alle Kollegen. Aufgrund des guten Betriebsklimas und der interessanten Arbeitsgebiete habe ich mich dann für meinen dortigen Berufseinstieg entschieden und wurde von den Kollegen sehr herzlich aufgenommen.
Generell arbeiten wir in unserer Abteilung an der Umsetzung von Solvency II, den Solvabilitätsregeln für die Versicherungsbranche. Wir beschäftigen uns sowohl mit dem Standard-Modell, das von der EIOPA, der Europäischen Versicherungsaufsicht, vorgegeben ist, als auch mit einem sogenannten Internen Modell, das wir als eines der wenigen großen Versicherungsunternehmen selbst entwickeln. Die mit Hilfe dieser Modelle ermittelten Risikokennzahlen bilden die Grundlage für den Solvenznachweis nach Solvency II. Ich arbeite im Team für die Berechnungen von Risiken gemäß Standardformel. Unter der sehr guten Betreuung der Kollegen wurde ich in die Bewertung und aktuarielle Analyse des Embedded Value in Prophet eingearbeitet, eine versicherungsmathematische Modellierungssoftware, die ich aus dem Praktikum bereits kannte. Die Berechnung des geforderten Solvenzkapitals (SCR) gemäß Standardformel für die Talanx Deutschland Lebens- und Sachversicherer zählt ebenfalls zu meiner jetzigen Tätigkeit in unserem Team. Ich konnte bis jetzt zahlreiche Erfahrungen über die Zusammenhänge in der Versicherung und deren praktische Umsetzung sammeln, was für mich als Berufsanfängerin vollkommen neu und ausgesprochen interessant ist.
War dein beruflicher Werdegang von Beginn des Studiums so geplant?
Ich wollte bereits vor dem Studium in einer Bank oder in einer Versicherung arbeiten, und aufgrund meiner Sprachkenntnisse in Deutsch, Chinesisch und Englisch am liebsten international. Ich bin problemlos in der Regelstudienzeit von sechs Jahren fertig geworden, inklusive Praktikum, und habe meinen Bachelor und Master gemacht. Meine Schwerpunkte habe ich auf Dynamische Systeme und Versicherungs- bzw. Finanzmathematik gelegt. Im Masterstudium habe ich zudem an der Uni Köln die von der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) anerkannten Vorlesungen besucht, unter anderem zur Personenversicherungs- und zur Krankenversicherungsmathematik. Aufgrund der Teilnahme an den DAV-Vorlesungen wollte ich dann unbedingt ein Praktikum Talanxeiner Versicherung absolvieren. Nach dem Praktikum Anfang 2014 Talanx Deutschland habe ich mich dann endgültig für die Versicherungsbranche entschieden. Nun bin ich für die Aktuar-Ausbildung bei der DAV zugelassen und möchte diese Weiterbildung auch zu Ende bringen.
Wie waren die ersten 100 Tage im Job?
Weil ich alle Kollegen bereits durch das Praktikum kannte, hatte ich auch vom ersten Arbeitstag an das Gefühl, zum Team zu gehören. Als ich anfing, war gerade die BaFin-Prüfungsphase für das Interne Modell. Während die anderen Kollegen hier einbezogen waren, habe ich mich in Ruhe mit den Vorschriften für die Berechnung des SCR gemäß Standardformel auseinandergesetzt und mich für die diesjährigen Berechnungen eingearbeitet. So habe ich einen ersten Überblick bekommen, was Talanxmeiner jetzigen Arbeit hauptsächlich auf mich zukommen wird. Durch die nunmehr praktische Anwendung im Unternehmen verstehe ich immer mehr von meinem Arbeitsgebiet und erkenne zunehmend die Zusammenhänge. Ich finde die Aufgaben sehr anspruchsvoll und ausgesprochen interessant.
Was würdest du Studenten für die Planung der beruflichen Orientierung raten?
Praktische Erfahrungen sind heutzutage bei Unternehmen viel wichtiger als die Theorie aus den Uni-Vorlesungen. Je mehr praktische Erfahrung man hat, desto eher weiß man, wo man wirklich arbeiten möchte und in welchen Bereich man passt. Als Student sollte man sich viele Wege offen halten und die Chance nutzen, viele interessante Bereiche kennenzulernen. Die vielfältigen Kompetenzen, die man für die berufliche Zukunft benötigt, bekommt man nur durch Praxis. Spätestens bei der Bewerbung und auch im Job wird man merken, wie wichtig und wie nützlich Praktika sind.
Würdest du aus heutiger Sicht etwas anders machen?
Bis jetzt bin ich sehr zufrieden mit meiner Entscheidung und meinem bisherigen Werdegang. Talanx ist das drittgrößte Versicherungsunternehmen in Deutschland. Ich freue mich sehr, dass ich in einem derart großen und bedeutenden Unternehmen das deutsche Versicherungssystem kennenlernen darf. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mich hier weiterentwickeln und meine Kenntnisse noch erweitern kann. Für die Zukunft wünsche ich mir, auch auf internationaler Ebene zu arbeiten und meine Sprachkenntnisse und neu gewonnenen fachlichen Kenntnisse in asiatische und europäische Versicherungsmärkte einzubringen.
Autor / Werdegang
Li L.
Bachelor- und Master-Studium in Mathematik an der Universität zu Köln
Berufsstart im Bereich Risikomanagement Talanx